Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
einmal.
» Okay …«, kommt es ganz leise aus dem Hörer.
» Servus, Papa«, sage ich.
» Servus, Fanny.«
Ich lege auf, und plötzlich steht Tino in der Tür, nur in Boxershorts und mit Strubbelmähne und lächelt mich an.
» Na?«, fragt er.
» Das war mein Vater«, sage ich. » Immer, wenn ich von zu Hause weg bin, stellt der sich an wie ein Kleinkind.«
» Er vermisst dich eben«, sagt er.
» Ich glaube nicht«, sage ich trocken.
» Ich würde dich vermissen«, sagt er und grinst schief.
» Ehrlich?«
Er nickt, und ich muss lächeln.
» Danke«, sage ich.
» Kaffee?«, fragt er.
» Au ja«, sage ich.
Er verschwindet in der Küche, und ich gehe ihm hinterher. Im Flur fällt mein Blick noch einmal auf die Postkarte vom Max. Ich bleibe stehen, und plötzlich fangen meine Gedanken an zu rattern.
Mei. Da hätte ich aber echt früher drauf kommen können, oder?
Hastig nehme ich noch einmal das Telefon in die Hand.
» Papa?«, sage ich, als er abgenommen hat. » Ich hab eine Riesen idee.«
16
Eine halbe Stunde später ist alles geregelt, und ich bin so wahnsinnig zufrieden mit mir, dass ich beschließe, dem Tino den Gefallen zu tun und mir tatsächlich freizunehmen. Aber nicht so, wie ich es sonst tue, nämlich geradeaus und ehrlich, sondern auf die gute, alte Papa-Manier. Leider kann ich mir nicht selber freigeben, obwohl ich’s natürlich könnte, weil ich ja die Herrin der Dienstpläne bin. Aber blöderweise hat die Lara heute Urlaub, und irgendeinen Verantwortlichen braucht es pro Schicht. Also schicke ich den Tino aus dem Zimmer (vor Zeugen lügen kann ich nämlich gar nicht) und wähle die Nummer vom Cheffe.
» Quirin?«, sage ich mit dünner Stimme.
» Ja?«
» Quirin, mir geht’s ganz schlecht.«
» O nein.«
» Doch, ich glaub, ich hab irgendwas Schlechtes gegessen.«
» Bei uns?«, fragt er alarmiert.
» Nein. Ich hab mir gestern Nacht einen Döner geholt, ich schätze, der ist es gewesen. Der sah schon so komisch aus. Wie billige Fleischwurst vom Spieß.«
» O Mann, Fanny …«, stöhnt der Quirin. » So einen Dreck isst man aber auch nicht.«
» Es war halt spät«, entschuldige ich mich, dabei habe ich selbstverständlich keinen Döner gegessen. Ich hab einmal einen probiert, spätnachts und ausgehungert. Irgendwie hatte ich mir schon vorstellen können, dass so ein Ding ganz lecker sein kann, wenn es gut gemacht ist (was aber natürlich auf alle Gerichte zutrifft, sogar auf Saure Kutteln). Aber am Ende waren mir dann doch zu viele verschieden schmeckende Sachen in diesem Fladenbrot drin. Fleisch und Zwiebeln und Salat und Tomaten und Gurken und Blaukraut und Joghurtsauce ergeben echt ein Aromenkuddelmuddel, das für Puristen wie mich nichts ist. Da lob ich mir doch einen klassischen LKW , den Leberkaswecken, den’s beim Metzger Bachhuber gibt. Fleisch, Semmel, süßer Senf, und fertig ist die Laube.
» O Mann. Kannst du wirklich nicht kommen?«, fragt er. » Ich würd ja für dich einspringen, aber ich hab Jella versprochen, heute mit ihr ins Sushilicious zu gehen.«
Das Sushilicious ist die hippste Sushi-Bar von Berlin-Mitte und gehört, wie sollte es anders sein, ihm. Komischerweise geht die Jella am liebsten dorthin essen, wahrscheinlich, weil sie sich so sicher sein kann, dass die Köche ihr als Frau des Chefs auch wirklich nicht heimlich Butter ins Essen rühren.
» Auf eine Misosuppe mit geräuchertem Garnelchen?«, frage ich trocken, und Quirin muss kichern.
» Na gut«, sagt er. » Ich verschiebe zwar ungern ein Date mit meiner Frau, aber …
» Danke, Quirin.«
» Gute Besserung. Kurier dich aus!«
Ich merke, wie ich rot werde, und hoffe, dass Quirins iPhone solche Körperreaktionen auch wirklich nicht überträgt. Ich meine, bei diesen neumodischen Smartphones – weiß man’s?
» Ja, mach ich«, sage ich. » Servus!«
Dann legen wir auf, und ich stürze zum Tino in die Küche.
» Alles geritzt!«
» Sehr gut!«
Er freut sich wie ein Schnitzel.
» Und, was machen wir jetzt?«, frage ich.
» Siehst du gleich«, sagt er.
Wenige Minuten später stehen wir in einem kleinen Fahrradverleih um die Ecke, wo der Kerl, der dort arbeitet, uns zwei wunderbare, alte Hollandräder aushändigt. Wir stellen uns die Sättel ein, ich teste die Klingel und schon rollen wir die Straße hinunter.
» Wohin fahren wir?«, frage ich.
» Ich treff diesen Schriftsteller nachher in Schöneberg«, sagt Tino und gurtet seine Fototasche enger. » Warst du da schon
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