Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
die Karte ist: vom Max, dem Rubenbacher. Er hat mir in den letzten Wochen fünf oder sechs solcher Postkarten geschrieben, harmloses Zeug, das in erster Linie davon handelt, was im Dorf so passiert, wie in Bayern die Luft ist, wie viele Knödel er essen musste, als er zum ersten Mal wieder im Wirtshaus gewesen ist. So Kram halt, er will mich watscheins ein bisschen nostalgisch stimmen. Auf alle Fälle sind es keine Karten, die man vor seinem Freund verstecken müsste, und das würde ich auch nicht tun, im Leben nicht. Das Problem ist nur, dass Tino aus irgendeinem Grund brutal eifersüchtig auf den Max ist. Er hat das mit den Postkarten natürlich mitgekriegt, und will mir partout nicht abnehmen, dass es da von Maxens Seite keinen Hintergedanken gibt. Männer schreiben keine Postkarten, sagt er, es sei denn, sie sind verliebt. Pfff. Dabei hat er den Max doch gesehen, also ehrlich.
» Liabe Fonny«, setzt er erneut an, und klingt dabei, als würde er den bayerischen Dialekt imitieren. Ich hoffe, ich verhöre mich.
» Wäng Arbeit zu hom is ned nur schlächt. Denn so hod man endli mol Zeit …«
Er tut es tatsächlich. Er äfft den Max nach. Jetzt fällt aber gleich der Watschnbaum um. Mein lieber Scholli, so nicht.
» Tino«, sage ich drohend und so leise, dass ihm gar nichts anderes übrig bleibt, als auf mich zu hören.
Er hält inne und sieht mich an. Ich ziehe eine Augenbraue hoch, was wirkungsvoller als jede Schimpftirade ist. Erfahrung aus dem Wirtshaus. Und schau, es funktioniert.
» Sorry«, sagt er kleinlaut und gibt mir die Karte zurück.
» Des mein ich aber auch«, sage ich mahnend und stecke sie in die Schublade der Garderobe.
Wenig später liegen wir nebeneinander im Bett, meine Wange auf seiner nackten Brust, sein Arm um meine Schultern. Sein Körper ist ganz warm, und trotzdem ist mir fröstelig zumute. Ich meine, wir sind doch verliebt, oder? Aber diese Szene vorhin war echt ein bisschen gruselig.
Eigentlich würde ich am liebsten einschlafen und darauf hoffen, dass morgen wieder alles in Ordnung ist. Fluchtschlaf, eine Spezialität von mir. Als ich mit dem Grafikdesigner zusammen war, habe ich das öfter gemacht. Einfach eine Runde zu ratzen, statt mich sinnlos aufzuregen. Dasselbe, wenn ich mich daheim über den Papa geärgert hab. Erstmal ein Nickerchen, dann ist es schon nicht mehr so schlimm.
» Gute Nacht«, sage ich folglich.
» Gute Nacht, Fanny.«
Ich schließe die Augen und falle planmäßig nach wenigen Minuten in den Tiefschlaf. Doch dann reißt mich seine Stimme in die Realität zurück.
» Fanny?«
» Ja?«, sage ich müde.
» Bist du sauer wegen vorhin?«
Grrr. Also doch diskutieren.
» Schon ein bisschen«, sage ich.
» Entschuldige bitte. Das war blöd von mir.«
» Ja, war es.«
» Tut mir leid«, sagt er.
» Okay«, sage ich.
» Wirklich?«
» Wirklich.«
Er macht die Leselampe an und sieht mich an.
» Sag, dass es wirklich in Ordnung ist.«
Himmel, diese Augen. Er ist echt wahnsinnig süß. Und scheinbar bereut er es tatsächlich, oder?
» Es ist wirklich in Ordnung«, sage ich großzügig. Ich bin ja schließlich kein Unmensch.
» Schwör’s!«
» Ich schwöre«, sage ich und muss lachen.
» Gut«, sagt er und gibt mir einen Kuss. Dann macht er das Licht wieder aus, und ich kuschele mich zurück an seine Schulter, wo es gleich viel wärmer ist.
» Gute Nacht, Tino«, sage ich.
» Gute Nacht, Liebste!«
Ich schließe die Augen. Zum Glück funktioniert das mit dem Schlafen auch, wenn ich in friedlicher Stimmung bin. Nur ein paar Sekunden … und ich sinke … sinke … sinke.
» Fanny?«
Knurr.
» Ja?«
» Willst du morgen nicht mitkommen?«
» Mitkommen? Wohin?«, frage ich.
» Zu diesem Job für 032c?«
Ich blinzle. Tino hat mir gestern oder vorgestern von diesem Auftrag erzählt. Er soll für dieses angeblich unglaublich coole Magazin irgendeinen Schriftsteller fotografieren.
» Wann ist der noch mal?«
» Um vier.«
» Du, ich muss um fünf schon im Wirtshaus sein«, sage ich. » Sorry.«
Ich denke, dass das Thema damit erledigt ist und schließe die Augen wieder.
» Bitte«, kommt es da flehend aus dem Dunkel.
Ich schlage die Augen wieder auf.
» Du, Tino, ich glaub, das geht wirklich nicht.«
» Bitte, bitte, bitte. Komm! Mach einfach blau, dann könnten wir den ganzen Tag zusammen verbringen!«
Er klingt ein bisschen wie ein Kind. Eigentlich ganz lieb, oder? Ich schiebe mich zu ihm hoch und drücke ihm einen Kuss auf die
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