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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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werden aus Scheiben herausgeschmolzen und dann in Schalen geschliffen.«
    »Die Schalen dort im Regal?«
    Catherine nickte.
    Schritte. Das Atmen näherte sich. Eine behaarte Hand neben ihr mit einem Sack. »Nimm das. Fülle die Schalen hinein. Ohne dich umzusehen, sonst bist du des Todes!«
    Sie gehorchte. Die Bronzeschalen klirrten aneinander.
    »Stelle den Sack ab.«
    Sie ließ ihn zu Boden sinken. Der Mörder zog ihn fort.
    »Du hast Elias umgebracht! Warum?«
    »Hör auf, darüber nachzudenken.«
    »Du wirst deine Strafe finden.«
    |98| Der Mörder lachte leise. »Willst du mir drohen? Ich komme wieder und züchtige dich erneut, wenn du mich suchst.«
    »Warum hast du ihn getötet?«
    »Elias Rowe hat sich für den falschen Mann interessiert.«
    Schritte. »Es ist besser, du vergißt die Sache. Wer zuviel fragt, erhält irgendwann die spitze Antwort aus Stahl. Es wäre schade um dich. Heute hat es dich nur das Gewerbe gekostet.«
    Die Tür klappte.
    Kein Donnerschlag wäre laut genug gewesen, die Stille zu besiegen, die sich auf Catherines Ohren legte. Sie fühlte sich, als sei sie windelweich geprügelt worden. Stumm sank sie zu Boden. War sie nicht mit Elias gestorben? Man verstieß sie wie eine, die nicht mehr zu dieser Welt gehörte. Warum hatte Elias sie zurückgelassen? Sie war tot wie er.
    Ein Gefäß zerbrach in ihrem Bauch, und Schmerz ergoß sich: eine Feuersbrunst, zuviel für ihren Leib, zuviel. Sie stieg die Brust hinauf, die Kehle. Ich bin allein, dachte sie. Ich bin allein. Sie preßte die Hand gegen das bebende Gesicht. Kein Anstand hinderte sie mehr daran, ihre Trauer in das Haus zu rufen. Die Laute waren Fetzen, die in der Luft hängenblieben wie zerlumpte Kleidungsstücke an einer Wäscheleine. »Elias! Elias!«
    Kälte stieg von der steinernen Bodenplatte in ihr Gesäß. Aber wen kümmerte es, wenn sie krank wurde? Wen kümmerte es, ob sie vorhanden war oder verschwand, sich auflöste? War sie nicht längst im Begriff, sich aufzulösen?
    In ihren tränenverhangenen Blick schimmerte gelbes Licht. Catherine blinzelte. Wie das Licht durch die Kuhhaut des Fensters leuchtete! Es zauberte ein Schattenspiel, Funke für Funke sprang zum Boden herab. Die Ritzen zwischen den Steinplatten malte es schwarz, ihre Erhebungen ließ es leuchten. Es berührte auch sie, Catherine. Sie hob die Hand vor das Gesicht. Die Rücken der Finger glühten, die Zwischenräume häuften Dunkelheit auf. Schmutzige, fettige Nägel blitzten. Catherine schloß die Hand und öffnete sie wieder, schloß sie, öffnete sie. Wie ein Seidentuch umwallte das Licht ihre Haut. |99| Es mußte auch in ihrem Gesicht sein, mußte auf ihren Augen spazierengehen und in den Wimpern schlafen.
    »Ich will dich lieben, Licht«, sagte sie. »Führen will ich dich, will mit dir spielen und dich zähmen.«
    Sie schloß die Augen. Elias’ Schritte: Dreimal hob er die Füße, dann schleiften die Sohlen über den Steinboden. Sand rauschte in eine Schleifschale hinein. Rhythmisches Knistern folgte. Ritsch-ritsch. Ritsch-ritsch. Von Zeit zu Zeit verharrte Elias, blies den Sand vom Glas und fühlte mit dem Daumen darüber.
    »Catherine.« Elias sagte nur ihren Namen, begütigend, so, wie er ihn sprach, wenn er ihr die Hand auf die Stirn legte. Auf diese Weise hatte er ihr immer seine Liebe erklärt: Er sagte ihren Namen und sah sie dabei mit einem Ausdruck zärtlichen Vorwurfs an. »Catherine.«
    Sie erschauderte und schlug die Augen auf. Leer die Werkstatt. Aber das Licht war da und bat um ein Spiel.
    In einer Kiste unter dem Tisch waren die alten Schalen verwahrt, das wußte der Mörder nicht, rostige Eisenschüsseln aus einer Zeit, in der sich Elias den Bronzeschmied noch nicht leisten konnte. Sie erlaubten kein feines Arbeiten, aber für den Anfang mußte es genügen. Dort waren auch die Formen verstaut, nach denen der Schmied neue Schleifschalen anfertigen konnte. Sie waren viel kostbarer als die Schalen selbst. Diese nutzten sich ab und mußten von Zeit zu Zeit ersetzt werden. Dummer Mörder! Er hatte den wahren Schatz verfehlt: Die Vorlagen, die Formen, die neues Werkzeug gebaren, von Elias aus Brabant nach England gebracht.
    »Laurence«, flüsterte Catherine, »hab keine Angst. Ich gebe nicht auf. Du wirst leben.« Zuerst sollte der Bailiff seine Brille erhalten.
     
    »Versuche es gar nicht erst, Gonora.« Anne nahm den Zügel, umklammerte auch den Sattelknauf und zog sich auf das Pferd hinauf. Sie prüfte den Sitz, drückte die Knie durch.

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