Die Bruderschaft Christi
aller Verdienst, und uns gebührt ebenso viel Ehre wie ihm.«
Jonathan Hawke schüttelte den Kopf. »Ist es wirklich eine Ehre? Ich habe mit Raful gesprochen, und er hat mir seine Gründe dargelegt. Sein Hass auf die Kirche Roms ist schon pathologisch und hat nichts mehr mit Vorbehalten zu tun. Meine Damen, meine Herren, wenn Sie mich fragen, dann ist Professor Chaim Raful krank und verblendet. Sein jahrelanger Hass auf die Kirche hat ihm jeglichen Sinn für die Realität geraubt. Er ist überhaupt nicht an geschichtlichen Wahrheiten interessiert, sondern verfolgt nur noch das Ziel, die Grundfeste des Vatikans zu erschüttern. Ich will mit ihm nicht in Verbindung gebracht werden. Das hat mit seriöser Forschung nichts mehr zu tun.«
Gina nickte verständig. »Ich verstehe die Vorbehalte, dennoch gebe ich Jean Recht. Es ist unser Fund. Er kann uns nicht ausschließen. Im Gegenteil. Wir haben alle Rechte, an diesem Fund weiter zu arbeiten, und ich sehe es nunmehr als noch wichtiger an, einen neutralen und objektiven Befund zu erstellen.«
»Für mich ist es zu spät«, entgegnete Jonathan Hawke. »Ich werde mich nicht an weiteren Forschungsarbeiten bezüglich dieses Kreuzritters beteiligen. Es bleibt euch überlassen, wie ihr zu dieser Situation steht, ich für meinen Teil mache weiter, wo wir aufgehört haben. Schließlich stehen wir mitten in den Überresten einer römischen Garnison.«
Die Anwesenden blickten sich gegenseitig an. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen.
Moshav räusperte sich. »Ich bin hierher gekommen, um an der Freilegung der römischen Garnison zu arbeiten«, sagte er. »Wir haben vier Gruben ausgehoben, und es liegt noch viel Arbeit vor uns. Ich für meinen Teil gönne Raful seinen Ritter, soll er doch glücklich damit werden. Ich bleibe hier.«
»Moshav hat Recht«, stimmte Tom zu. »Wir stehen erst am Anfang, und die Ausgrabungen sind für die nächsten sechs Monate gesichert. Ich bleibe ebenfalls.«
Yaara nickte. »Ich bleibe.«
Jean schaute Gina fragend an.
Gina verzog ihre Lippen. »Ich werde noch einmal mit Raful sprechen. Schließlich steht er in unserer Schuld. Ich sehe nicht ein, mich einfach ausbooten zu lassen. Wisst ihr eigentlich, dass dieses Gefäß, das im Sarg lag, den Krügen von Qumran sehr ähnelt? Ich denke, es befindet sich eine Schriftrolle darin.«
Jean nickte zustimmend. »Archäologen, Schatzsucher und Abenteurer haben bereits ganz Schottland umgegraben, um den sagenhaften Schatz der Templer zu finden. Wir haben einen Templer und in seinem Grab eine Schriftrolle gefunden. Wer sagt denn, dass diese Rolle keine Hinweise auf das Vermächtnis der Templer enthält.«
»Den heiligen Gral vielleicht?«, scherzte Moshav.
»Jean, das ist doch wohl nicht dein Ernst«, sagte Yaara.
Jean zuckte mit der Schulter. »Solange wir nicht wissen, was in dem Sarg lag, solange halte ich alles für möglich. Vielleicht ist Raful gar nicht so kirchenfeindlich, wie er immer tut, und alles ist nur Fassade. Es wäre zumindest möglich.«
Jonathan schüttelte den Kopf. »Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?«, fragte er.
»Egal«, antwortete Jean Colombare. »Ich habe mit euch zusammen das Grab gehoben, und nun will ich auch wissen, was es enthält. Basta!«
Jonathan nickte. »Es ist euer gutes Recht, und ich kann euch nicht vorschreiben, was ihr zu tun oder zu lassen habt. Aber ich für meinen Teil habe meine Entscheidung getroffen. Ihr werdet selbst mit Raful reden müssen.«
Gina nickte. »Das werde ich, darauf könnt ihr euch verlassen«, antwortete sie bissig.
11
Jerusalem, Rockefeller Museum im Nordosten der Stadt …
Die Nacht war über die Häuser und Straßen der Stadt hereingebrochen, und die trüben Straßenlaternen erleuchteten leidlich die Via Dolorosa. Die Menschen zogen sich in ihre Häuser zurück und suchten Ruhe und Erholung vor der Hitze des Tages.
Im abgeschiedenen Westflügel des Rockefeller Museums im Nordosten Jerusalems brannte noch Licht. Professor Chaim Raful arbeitete mit Hochdruck an der Freilegung der Schriftrolle, die in einer Amphore im Grab des Kreuzritters gelegen hatte. Der Verschluss der Amphore war mit einer dick aufgetragenen teerartigen Masse bestrichen, um den Inhalt vor Feuchtigkeit und den Einflüssen von Luft und Klima zu schützen. Die Amphore glich in ihrer Beschaffenheit den typischen Behältnissen der hellenistischen Zeit, ganz so, wie auch die Schriften von Qumran von ihren Bewahrern konserviert worden waren. Chaim
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