Die Bruderschaft der Woelfe
gegeben, sie wollte sich bei ihm dafür bedanken und ihn nicht einfach der Obhut eines anderen überlassen.
Der Annektor erwiderte: »Seid unbesorgt. Die Kinder in den Zwingern können gut mit Hunden umgehen. Sie werden das Tier nicht nur füttern, sondern auch lieben, als wäre es ihr eigenes. Der Welpe wird das Durchhaltevermögen, das Ihr heute übernommen habt, kaum vermissen.«
Myrrima fühlte sich wie betäubt. Mit Hilfe des neuen
Durchhaltevermögens würde sie in der Lage sein, länger mit ihrem Bogen zu üben und eine bessere sowie schnellere Kriegerin zu werden. Sie lud diese Schuld in der Hoffnung auf sich, ihrem Volk zu helfen.
»Er bleibt bei mir«, entgegnete sie, schob dem Welpen die Hand unter das weiße Kinn, hielt ihn fest und streichelte ihn.
Der Annektor sagte: »Der Welpe zu Euren Füßen, der mich angebellt hat, ist ebenfalls soweit. Wollt Ihr die Gabe jetzt übernehmen?«
Sie blickte zu dem fraglichen Welpen hinunter. Er wedelte mit dem Schwanz und sah voller Hoffnung zu ihr hoch. Es war der mit der kräftigen Nase. »Ja, ich werde es tun, und zwar gleich.«
Nachdem Myrrima die Gabe des Geruchssinns übernommen
hatte, veränderte sich ihre Welt.
Eben noch saß sie mit den Welpen auf dem Stuhl, dann war es, als würde ein Schleier fortgezogen.
Der Geruch verbrannten Haars, der den Raum ausgefüllt hatte, wurde beißender, durchdringend, und vermischte sich mit den Düften von Kerzenwachs, Staub, Putz und Flohkrautblüten, die seit Wochen auf dem Fußboden des Turmes gelegen hatten. Sie beschnupperte einen Welpen und konnte sogar seine Körperwärme riechen.
Die ganze Welt war neu für sie.
Das Durchhaltevermögen des ersten Welpen hatte ihre
Kraftreserven vergrößert, und Myrrima fühlte sich durch und durch belebt und wach. Die Gabe des zweiten stärkte ihren Geruchssinn, und als sie anschließend den Bergfried verließ, erschien ihr die Welt wie eine andere.
Der von den Ställen herüberwehende Pferdegeruch betäubte sie fast, während ihr beim Duft des frisch gedünsteten Fleisches im Innenhof der Burg das Wasser im Mund zusammenlief.
Was sie richtig begeisterte, waren die Menschen. Sie ließ ihre Welpen beim Annektor und stieg hinab in den Innenhof, wo die Kochfeuer erst vor einer Stunde gelöscht worden waren.
Gaborn hatte das angeordnet, bevor er verkündete, daß er gegen Raj Ahten in die Schlacht ziehen wollte.
Jetzt lief Myrrima im Dunkeln zwischen den Kriegern
hindurch, von denen viele mit untergeschlagenen Beinen auf dem nackten Erdboden hockten oder auf Decken lagen.
Jeder Krieger bestand aus einer faszinierenden Kombination von Gerüchen – die geölte Metallrüstung, der ranzige Geruch von Wolle, die Mischung von Schmutz und Pferd, Essensresten und Gewürzen, Seife, Blut und natürlichen Körperdüften sowie Urin.
Jeden einzelnen Geruch nahm sie hundertmal stärker wahr als früher. Viele waren ihr vollkommen neu und fremd, Gerüche, die sonst viel zu schwach für die menschliche Nase waren – der Duft der Gräser, die die Stiefel der Männer gestreift hatten, der Elfenbeinknöpfe oder des Farbstoffs in ihrer Kleidung. Dunkles Haar roch anders als helles, und auf der Haut eines Mannes konnte sie oft die Speisen riechen, die er am selben Tag gegessen hatte. Tausende neuer und zarter Düfte drangen ihr in die Nase. Die Männer im Innenhof erschienen ihr aufregender.
Jetzt bin ich ein Wolflord, dachte sie. Ich laufe zwischen den Männern umher, und keiner spürt die Veränderung in mir.
Doch war ich blind und bin jetzt sehend. Ich war blind, genau wie alle anderen um mich.
Ohne große Mühe würde sie lernen, die Menschen in ihrer Umgebung am Geruch zu unterscheiden, so daß sie einen Mann über seine Witterung verfolgen oder jemanden im Dunkeln erkennen konnte. Diese Erkenntnis verlieh ihr ein heftiges, berauschendes Gefühl von Macht, das Gefühl, ein bißchen weniger verletzlich zu sein, wenn sie in den Krieg zog.
Allein stieg Myrrima im Dunkeln hinauf zur Brustwehr
oberhalb des herzoglichen Bergfrieds und blickte hinaus über die Ebene.
Sie wollte dieses wundervolle Gefühl mit jemandem teilen, und ihre Gedanken gingen zu Borenson, der tief unten im Süden einen Auftrag zu erfüllen hatte.
Sie sorgte sich um ihren Gemahl, der so weit von ihr entfernt war. Unten im Burghof sangen einige Soldaten, die entweder wegen ihres hohen Durchhaltevermögens keinen Schlaf brauchten oder zum Schlafen zu aufgedreht waren,
Kriegslieder, in denen sie versprachen,
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