Die Bruderschaft der Woelfe
dem Übernehmen von Gaben«, erklärte
Gaborn. »Ich bin der Erdkönig, und das sollte genügen, jeden Mann aufrechtzuerhalten.«
»Vielleicht würde es genügen, wenn du allein auf der Welt wärest, aber reicht es auch für uns beide?« fragte Iome. »In der Schlacht gefährdest du nicht nur dein eigenes Leben, sondern unser aller Zukunft.«
»Ich weiß«, gab Gaborn zurück.
»Deine Zwingeisen und deine Untertanen bieten dir Macht«, fuhr Iome fort. »Macht, Gutes zu tun. Macht, Böses zu tun.
Falls du sie nicht ergreifst, wird Raj Ahten es an deiner Stelle machen.«
»Ich will es trotzdem nicht«, entgegnete Gaborn.
»Du mußt aber«, beharrte Iome. »Die Schuld ist der Preis des Herrschens.«
Natürlich hatte sie recht, das war auch Gaborn klar. Ohne Gaben durfte er nicht in die Schlacht ziehen.
»Morgen, bevor ich aufbreche, werde ich Gaben von meinen Welpen übernehmen«, verkündetet Iome. »Ich habe lange darüber nachgedacht, und ich werde nicht nur von ihnen Gaben akzeptieren. Die Zukunft kommt mit großen Schritten auf uns zu, und wir müssen uns vorbereiten. Ich werde mich ausreichend mit Gaben des Stoffwechsels versorgen, damit ich für den Kampf bereit bin.«
Diese Bemerkung versetzte Gaborn einen Stich. Für den Kampf bereit? Wollte sie sich vor Raj Ahtens Unbesiegbaren schützen, benötigte sie wenigstens fünf Gaben des Stoffwechsels. Dadurch würde sie sehr schnell altern und schon in zehn oder zwölf Jahren sterben. Es war, als nähme man ein langsam wirkendes Gift.
»Iome!« fuhr Gaborn auf, doch gelang es ihm nicht, seinen Schmerz in Worte zu fassen.
»Bring mich nicht dazu, dich hinter mir zurückzulassen«, forderte sie ihn auf. »Begleite mich auf diesem Weg! Werde mit mir alt!«
Natürlich, das war die Antwort. Sie wollte ihn nicht
verlassen und auch nicht allein alt werden. Für jene, die Gaben des Stoffwechsels übernommen hatten, wurde es schwierig, sich mit denen zu unterhalten, die in der normalen Zeit lebten.
Das Gefühl, vom Rest der Menschheit abgetrennt zu sein, war ein hoher Preis.
Trotzdem wurde er nicht recht schlau aus ihr. Eigentlich lehnte sie das Übernehmen von Gaben genauso ab wie er.
Vermutlich lockte sie ihn nur, damit er es tat, oder wollte ihn gar zwingen.
»Tu dies nicht meinetwegen«, bat er. »Wenn es sein soll, werde ich es tun. Ich weiß, daß ich es muß. Du hingegen nicht.
Ich werde es allein machen.«
Draußen regte sich der klumpfüßige Junge in seinen
Träumen wie ein ruheloser Welpe und stieß leise gegen die Tür.
»Wer ist dieser Junge draußen?« erkundigte sich Gaborn.
»Nur irgendein Junge«, antwortete Iome. »Er ist einhundert Meilen gelaufen, nur um dich zu sehen. Ich wollte, daß du ihn Erwählst, aber heute abend im Saal bist du einfach an ihm vorübergelaufen, und er hatte Angst, dich aufzusuchen. Daher habe ich ihm gesagt, er könne dort schlafen. Vielleicht kann er in Grovermans Hundezwingern aushelfen.«
»Also gut«, stimmte Gaborn zu.
»Also gut? Willst du nicht in sein Herz hineinsehen, bevor du ihn Erwählst?«
»Klingt, als wäre er ein guter Junge«, erwiderte er, zu müde, um aufzustehen und den Jungen zu Erwählen oder die Angelegenheit weiter zu besprechen.
»Heute haben wir die Menschen auf Burg Sylvarresta
gerettet«, erzählte Iome. »Jeden einzelnen von ihnen, bis auf Sir Donnor.«
»Gut«, gab Gaborn zurück. »Jureem hat mir davon
berichtet.«
»Es war ein verdammt hartes Stück Arbeit«, beschwerte sich Iome noch, dann schlief sie ein.
Um sich auf das Einschlafen vorzubereiten, benutzte Gaborn seine Erdsinne, streckte sie aus und versuchte zu erfühlen, wie es seinem Volk erging.
Sir Borenson hatte das Hestgebirge erreicht und offenbar sein Lager aufgeschlagen – zumindest bewegte er sich zur Zeit nicht von der Stelle und traute sich, wie Gaborn, nicht, vor Mondaufgang aufzubrechen. Er spürte, daß die Gefahr rings um Borenson wuchs, spürte es schon seit Stunden. Der Ritter hatte große Schwierigkeiten vor sich, und sein Weg führte ihn mitten hinein.
Im Norden Heredons hatte Herzog Mardon Burg Donyeis
erreicht und dort sein Feldlager aufgeschlagen. Seine Soldaten hingen meilenweit zurück. Gaborn spürte, wie sich ein Leichentuch über diese Männer legte. Er hatte sie ausgesandt für den Fall, daß die Greifer, die in Nord-Crowthen an die Erdoberfläche kamen, nach Süden zogen.
Vielleicht waren die Greifer auf Beutezug, denn die Gefahr für Mardon und seine Männer nahm deutlich zu, auch
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