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Die Bruderschaft der Woelfe

Die Bruderschaft der Woelfe

Titel: Die Bruderschaft der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Iome.
    Seine Frau drehte sich um, legte einen Arm um ihn und erwachte.
    »Mein Geliebter«, sagte sie. »Ist es schon Zeit aufzubrechen?«
    »Noch nicht. Ruh dich ein wenig aus«, erwiderte Gaborn.
    »Uns bleiben noch zwei Stunden.«
    Statt dessen wachte sie vollends auf. Sie stemmte sich auf einen Ellenbogen und betrachtete sein Gesicht. Sie wirkte blaß, übermüdet. Er schloß die Augen.
    »Ich habe das vom Blauen Turm gehört«, sagte sie. »In den zwei Stunden wirst du nicht genug Schlaf bekommen. Ich habe mir folgendes überlegt: Vielleicht solltest du in Erwägung ziehen, einige Gaben zu übernehmen?«
    Sie sprach zögerlich. Seine Einstellung in bezug auf das Übernehmen von Gaben für sich selbst kannte sie.
    Gaborn schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Eidgebundener Lord«, stöhnte er. »Habe ich dir nicht einen Eid geschworen?«
    Die Frage war nicht rhetorisch gemeint. Er hatte an diesem Tag zwei Gaben der Geisteskraft verloren und durch diesen Verlust eine Menge vergessen. Erinnerungen waren ihm genommen worden, Gelerntes in Vergessenheit geraten. Er wußte noch, wie er auf dem Turm oberhalb von Burg Sylvarresta gestanden und beobachtet hatte, wie Raj Ahtens Truppen auf den Hügeln südlich der Stadt Aufstellung nahmen. Seine Erinnerung an den alten Schwur der
    Eidgebundenen Lords jedoch war undeutlich und
    unvollständig. Falls er diesen Eid geleistet hatte, so war ihm jedoch entfallen, wie Iome darauf reagiert hatte.
    Er hatte sich davor gefürchtet, an diesem Abend mit Iome zu reden. Denn er traute sich nicht zuzugeben, daß er sich an den Augenblick, als er ihr den Heiratsantrag gemacht hatte, nicht erinnern konnte, genausowenig wie er sich an das Gesicht seiner Mutter erinnerte oder an tausend andere Dinge, die er für ausgesprochen wichtig hielt.
    »Hast du«, sagte sie. »Und ich habe mir deine Argumente gegen das Übernehmen von Gaben angehört. Aber es muß doch einen Punkt geben… einen Punkt, an dem du die Gabe eines anderen akzeptieren würdest. Dein Volk braucht einen starken Erdkönig.«
    Gaborn starrte sie unverwandt an.
    »Mein Geliebter«, fuhr sie eindringlich fort, »du mußt Gaben übernehmen. Du kannst nicht ganz auf sie verzichten.«
    In jungen Jahren hatte man ihm beigebracht, ein Lord, der über ein großes Durchhaltevermögen verfüge, könne dieses dazu benutzen, seinem Volk unermüdlich zu dienen. Ein Lord mit großer Muskelkraft könne für sein Volk kämpfen. Gaben zu übernehmen sei eine noble Sache, vorausgesetzt, man stelle es richtig an.
    Dennoch erschien es ihm falsch, es zu tun.
    Teils deswegen, weil der, der sie abtrat, dadurch in große Gefahr geriet. So mancher, der eine Gabe der Muskelkraft übereignet hatte, mußte erleben, wie sein Herz anschließend stehenblieb, weil es zu schwach zum Schlagen war. Wer eine Gabe der Geisteskraft abtrat, vergaß gar, wie man lief oder aß.
    Wer sein Durchhaltevermögen spendete, konnte leicht von einer Krankheit dahingerafft werden – wenn es auch vollkommen gefahrlos war, sich von ›kleineren‹ Gaben zu trennen – der des Stoffwechsels oder der Sehkraft, des Geruchssinns oder des Gehörs, des Tastsinns.
    Gaborn fühlte sich hilflos. Er erinnerte sich an die
    Zeichnungen, die er im Buch des Emirs von Tuulistan
    gefunden hatte – die Geheimlehren aus dem Saal der Träume im Haus des Verstehens.
    Verschiedene Dinge waren einem Mann eigen – sein Körper, seine Familie, sein guter Name. Auch wenn diese Dinge im Buch des Emirs nicht ausdrücklich genannt wurden, gehörten einem Mann gewiß auch seine Muskel-und seine Geisteskraft.
    Jemandem die Eigenschaften zu rauben und sie ihm zeit seines und des eigenen Lebens nicht zurückzugeben, kam für Gaborn unausweichlich der Verletzung der Sphäre eines anderen gleich.
    Es war böse, durch und durch böse.
    Zwar wagte er nicht, es laut auszusprechen, aber in
    gewissem Sinn fühlte er sich in diesem Augenblick so leicht und glücklich wie seit Jahren nicht.
    Zum ersten Mal, seit Gaborn alt genug war, zu begreifen, was es einen anderen Menschen kostete, ihm Gaben zu überlassen, fühlte er sich frei, vollkommen frei von Schuld.
    Zum ersten Mal in seinem Leben war er ausschließlich er selbst. Es stimmte, heute waren seine Übereigner gestorben, und es betrübte ihn zutiefst zu hören, daß sie für ihn gestorben waren, allein, weil sie ihm ihre Eigenschaften überlassen hatten.
    Er fühlte sich müde, geschwächt und erschöpft, aber er fühlte sich auch frei von Schuld.
    »Ich entsage

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