Die Bruderschaft der Woelfe
und groß wie der von Binnesman auf Burg Sylvarresta, den Raj Ahtens Flammenweber niedergebrannt hatten, trotzdem beflügelte es Gaborns Herz und belebte ihn, hier zu sein.
Er streifte seine Stiefel ab und gestattete seinen Füßen, die kühle, nächtliche Erde zu fühlen. Sie wirkte wie Balsam, beruhigte seine Nerven, gab ihm neue Kraft. Doch genügte ihm das noch nicht. Daher zog er die Rüstung aus und hatte seine Kleider bereits zur Hälfte abgelegt, bevor ihm bewußt wurde, was er eigentlich tat.
Schuldbewußt sah er sich um, als befürchte er, jemand könnte ihn nackt sehen. Zu seinem Erstaunen trat genau in diesem Augenblick Zauberer Binnesman hinter einem Vorhang aus gelben Rosen hervor.
»Ich hatte mich schon gefragt, wie lange es noch dauert«, sagte Binnesman.
»Was?« entfuhr es Gaborn.
»Ihr seid jetzt ein Diener der Erde«, erklärte Binnesman. »Ihr braucht ihre Berührung ebenso dringend wie die Luft zum Atmen.«
»Ich… hatte nicht die Absicht, mich hinzulegen«, erwiderte Gaborn.
»Aber warum denn nicht?« fragte Binnesman mit leicht
spöttischem Unterton, als habe er die Lüge erkannt. »Mögt Ihr den Erdboden nicht?«
»Ich…« Gaborn war ein wenig verlegen, obwohl er genau wußte, der Zauberer hatte recht. Seine Haut sehnte sich nach der Berührung der Erde. Deswegen hatte er nicht schlafen können. Ein Schlummer würde nicht genügen. Was seine Erschöpfung verlangte, ging über Schlaf hinaus.
»Es sollte Euch aber gefallen«, fuhr Binnesman fort. »Möge die Erde Euch verbergen. Möge die Erde Euch heilen. Möge die Erde Euch zu dem Ihren machen.« Der Zauberer schlug mit seinem Stecken auf die Erde, und das Gras teilte sich mit einem reißenden Geräusch zu Gaborns Füßen. Vor ihm lag fette, dunkle Erde.
Gaborn bückte sich und roch daran.
»Guter Boden«, erklärte der Zauberer, »stark an Erdkräften.
Aus diesem Grund wurde die Burg an dieser Stelle errichtet.
Als der alte Heredon Sylvarresta zum ersten Mal den Fuß auf dieses Land setzte, hielt er nach gutem Erdboden Ausschau und errichtete daraufhin an diesen Orten seine Burgen. Eine Stunde Schlaf an dieser Stelle wird Euch mehr erfrischen als viele Stunden im Bett.«
»Ganz bestimmt?« fragte Gaborn.
»Ganz bestimmt«, antwortete Binnesman. »Ihr dient jetzt der Erde, und wenn Ihr Eure Sache gut macht, wird sie Euch im Gegenzug ebenfalls dienen.«
Gaborn widerstand dem Drang, sich hinzulegen. Statt dessen sah er den Zauberer in der Dunkelheit an. Das Sternenlicht ließ sein Gesicht schwach leuchten und bildete einen Hof um sein ergrauendes Haar.
Der Zauberer wirkte blaß und kränklich. Immer noch zu grün und kaum wirklich menschlich.
»Ich habe ein Problem«, sagte Gaborn.
»Ich will Euch helfen, wenn ich kann«, erwiderte Binnesman.
»Ich… ich habe meine Männer heute abend belogen. Ich habe ihnen erzählt, die Erde habe mir aufgetragen, Raj Ahten anzugreifen… aber das entspricht nicht ganz der Wahrheit.«
»Tut es das nicht?« fragte Binnesman mit Zweifel in der Stimme.
»Die Erde teilt mir mit, daß viele sterben werden, wenn sie nicht fliehen«, erklärte Gaborn. »Und doch gestattet sie mir anzugreifen. Ich… ich bin mir nicht sicher, was die Erde will.«
Binnesman ging in die Hocke und stützte sich leicht auf dem Stecken ab. »Vielleicht…«, vermutete er, »habt Ihr Euch täuschen lassen.«
»Täuschen lassen?«
»Ihr behauptet, die Erde will, daß Ihr Raj Ahten angreift?
Aber seid Ihr sicher, daß nicht Ihr es seid, der gegen Raj Ahten ins Feld ziehen will?«
»Natürlich will ich das«, gestand Gaborn gegenüber
Binnesman ein.
»Ihr haltet also das Banner des Waffenstillstands in der einen und die Streitaxt in der anderen Hand. Bietet Ihr Tod an oder Frieden? Und wie kann Raj Ahten Euch vertrauen, wenn Ihr Euch selbst noch nicht entschieden habt?«
»Ihr seid also der Meinung, ich sollte ihm den Frieden anbieten? Aber was ist mit dem Befehl der Erde anzugreifen?
Ist er nicht Beweis genug, daß er alle unsere Angebote ablehnen wird?«
»Ich glaube«, antwortete Binnesman entschlossen, »Ihr solltet die Täuschungen durchschauen. Raj Ahten ist nicht Euer Feind. Man hat Euch aufgetragen, die Menschheit zu retten, nicht sie zu bekämpfen. Das müßt Ihr erkennen, bevor Ihr den Willen der Erde wirklich zu erfassen vermögt.«
»Dann geht es um die Greifer?« fragte Gaborn. »Die Erde will, daß ich vor Raj Ahten fliehe, aber die Greifer soll ich angreifen?« Noch während er
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