Die Bruderschaft der Woelfe
Schneefall.
Neun Schilde stellten sie auf, und danach hatten sie sich verausgabt. Die Flammen, die sonst über ihrer Haut tanzten, erloschen, und nun standen die drei nackt in der Kälte. Schon vor langer Zeit waren all ihre Haare verbrannt worden.
Zischend verdampften Schneeflocken, wenn sie ihre heiße Haut berührten. Roland vermeinte zu erkennen, daß sogar die Flammenweber nicht glaubten, ihre Schilde könnten der Todesmagierin Einhalt gebieten.
Während die Greifer vorwärtsmarschierten, blieben viele von ihnen stehen und sammelten die verstümmelten Körper von Raj Ahtens Fußsoldaten mit den Zähnen auf. Sie trugen sie übertrieben vorsichtig, als wollten sie sie dem Damm als Geschenk anbieten, so wie eine Katze ihrem Herrchen eine tote Maus auf die Türschwelle legt. Manche der Männer in den Mäulern der Greifer waren nur verwundet; sie schrien vor Schmerz und flehten in der Sprache von Indhopal um Erbarmen.
Ihr Jammern zerriß Roland das Herz, doch wie hätte man diese armen Seelen zu retten vermocht?
Die Todesmagierin näherte sich der Burg und blieb
vierhundert Meter davor stehen. Hundert niedere Magierinnen, blutrote Zauberinnen, schwärmten zu ihren Flanken aus. Zehntausende Greifer hatten sich nun in ihrem Rücken versammelt, eine grimmige Horde, die die Felder bedeckte; und fast jeder Greifer hielt einen Mann in seinen kristallinen Zähnen.
Noch blieben sie zu den grünlich feurigen Schilden der Flammenweber auf Abstand.
Die Todesmagierin hob den zitronengelben Stab und richtete ihn auf die Mauern von Carris, als würde sie einen fürchterlichen Zauber heraufbeschwören. Männer brüllten und suchten Deckung.
Roland dachte: Jetzt wird sie uns zeigen, wozu sie fähig ist.
KAPITEL 16
Über die menschliche Schwäche
In Tor Doohan ruhte sich Gaborn ein wenig aus. Es drängte ihn jedoch, nach Süden zu eilen und die Schlacht der Erde auszutragen. Die Annektoren auf Burg Groverman mußten die ganze Nacht gearbeitet haben, denn am frühen Morgen bereits besaß er sämtliche fünfzig Gaben, um die er gebeten hatte.
Seine Muskeln spannten sich unter der Rüstung, und das Blut jagte durch seine Adern und schrie nach dem Kampf.
Daher ließ er die Pferde füttern und ruhen, jedoch nur drei Stunden lang, bis er sich nicht mehr im Zaum halten konnte.
Noch vor Mittag ritt er nach Süden. Einige hundert Männer und Frauen begleiteten ihn: hundert Lords aus Orwynne und Heredon, dazu einhundertfünfzig aus Fleeds. Trotz der kleinen Zahl bildeten sie ein mächtiges Heer, da es sich um die Besten eines jeden Landes handelte, und in Gaborns Brust keimte Hoffnung. Bald würde er sich mit König Lowickers Armee vereinen, und nahe Carris würde er auf die Unabhängigen Ritter und die Lords aus Mystarria stoßen.
Wenn er dort einträfe, so stellte er sich vor, würde er eine halbe Million Männer unter seinem Befehl haben, und der Angriff würde von einigen der mächtigsten Runenlords der Welt angeführt werden.
Wieder und wieder überkam ihn freudige Erregung, weil der alte König Lowicker von Beldinook an seiner Seite reiten würde. Daß der sich aufraffte, hatte er nicht erwartet.
Manche nannten Lowicker einen »schwachen« Mann, wobei diese Beschreibung die Tatsachen eher beschönigte denn angemessen beschrieb.
Seine Schwäche war mehr seelischer als körperlicher Natur.
Während der letzten beiden Jahre hatte seine Fähigkeit zum logischen Denken erheblich abgenommen. Allgemein hieß es, er sei recht senil geworden. Nur weil er Gaben der Geisteskraft von drei Männern übernommen hatte – und bei diesen seine Erinnerungen speichern konnte –, vermochte er die Schwere seines Gebrechens zu vertuschen.
Immerhin war er stets einer der treusten Verbündeten von König Orden gewesen. Erst vor kaum drei Wochen hatte er Gaborns Vater auf der Reise nach Norden bei einem großen Empfang willkommen geheißen.
Lowicker hatte Gaborn über alle Maßen gepriesen und
darauf hingewiesen, daß der Prinz eine gute Partie für seine Tochter abgeben würde – ein molliges Mädchen, dem es nicht nur an herausragenden Tugenden, sondern sogar an Lastern zu mangeln schien.
Er konnte sich an einen Abend erinnern, an dem er beim Kamin saß und heißen Gewürzwein trank, während Lowicker und Orden Jagdgeschichten zum besten gaben – in früheren Jahren hatte Lowicker Gaborns Vater oft in den Norden zur Herbstjagd begleitet.
Vor drei Jahren jedoch war Lowicker gestürzt und hatte sich die Hüfte gebrochen, und nun ritt
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