Die Bruderschaft der Woelfe
alten Verletzungen zu schaffen machten.
»Kehrt um, Gaborn Val Orden«, rief König Lowicker. »Geht nach Heredon zurück, solange Ihr noch könnt! Auf meinem Boden seid Ihr nicht willkommen. Beldinook bleibt Euch verschlossen.«
»Noch vor zwei Tagen hat mir Euer Bote etwas ganz anderes gesagt«, entgegnete Gaborn. »Aus welchem Grund gebärdet Ihr Euch nun so wenig gastfreundlich? Ihr und ich, wir waren stets Freunde. So kann es auch weiterhin bleiben.« Gaborn versuchte, ruhig zu klingen und in freundlichem Ton zu sprechen, doch innerlich kochte sein Blut. Er war verwirrt und fühlte sich verraten. Lowicker hatte ihm fälschlich Unterstützung angeboten und ihn gedrängt, rasch
hierherzureiten und an seiner Seite zu kämpfen. In Wahrheit hatte er jedoch ein Komplott gegen ihn geschmiedet und war bereit, ihn wie einen Hund zu erschlagen. Während er nun um äußerliche Ruhe bemüht war, wußte er tief im Herzen, daß Lowicker nicht mehr sein Verbündeter war.
»Euer Vater und ich waren Freunde«, schrie Lowicker. »Aber ich bin nicht der Bauer eines Königsmörders.« Er zeigte mit dem Finger auf Gaborn, als habe er einen Schuft gestellt. »Ihr habt die Krone Eures Vaters so schnell an Euch gerissen, wie Euch nur möglich war, aber sie war Euch zu klein! Jetzt nennt Ihr Euch Erdkönig. Sagt mir, Erdkönig, sind diese hundert Mann die einzigen, welche dumm genug sind, Euer Schicksal mit Euch zu teilen?«
»Mir folgen noch viele andere«, sagte Gaborn.
Aber Lowicker betrachtete sein Gegenüber aufmerksam,
schüttelte den Kopf und drückte auf diese Weise jenen beim Erdkönig sein Mitleid aus. »Als Ihr im Saal der Gesichter zu studieren begannt, junger Mann, war ich mißtrauisch. Ich dachte, daß Ihr, wenn Ihr auch nicht lernen wolltet, wie man ein König wird, wenigstens lernen würdet, diese Rolle angemessen zu spielen.
Nun stolziert Ihr aufgeplustert wie ein großer Monarch heran, und Ihr beeindruckt mich keinesfalls. Reitet zurück nach Norden, junger Schwindler, solange es Euch noch möglich ist.«
Das Gefühl einer lauernden Gefahr nahm zu. Lowicker stieß hier keine leeren Drohungen aus. Erin und Celinor hatten Gaborn gewarnt, König Anders hoffe, Lowicker und andere von seinen Lügen zu überzeugen, und offensichtlich war ihm dies gelungen.
Denn Lowicker hatte ihn in einen Hinterhalt locken wollen und stand jetzt kurz davor anzugreifen. Trotzdem hoffte Gaborn, er könne den Mann dazu bringen, die Wahrheit zu sehen.
»Ihr beschuldigt mich des Königsmordes, und gleichzeitig plant Ihr meine Ermordung?« rief er, um den alten König auf seinen Irrtum hinzuweisen. »Ich fürchte, Ihr seid eher Anders’
Bauer. Raj Ahten wird sich vor Lachen auf die Schenkel klopfen, wenn er von diesem Zwischenfall erfährt.«
»Einen Verbrecher zu bestrafen ist kein Königsmord«,
widersprach Lowicker, »selbst wenn es sich um einen Mann handelt, den ich immer wie meinen eigenen Sohn geliebt habe.
Könnte ich es, würde ich glauben, daß Ihr der Erdkönig seid.«
Trotz der Kälte in seiner Stimme wunderte sich Gaborn über die Aufrichtigkeit des alten Mannes.
»Ich bin tatsächlich der Erdkönig«, rief Gaborn. Mit Hilfe seines Erdblicks sah er tief in den König hinein.
Da war ein Mann, der seine Stellung liebte und dem mehr daran lag, seinen Reichtum zu mehren als die Wahrheit zu ehren. Er sah einen Mann, der stets neidisch auf König Ordens größere Schätze geblickt hatte, so neidisch, daß er Orden stets mit großem Pomp empfangen hatte, im Inneren jedoch Ränke schmiedete, sich ein Stück von Mystarria einzuverleiben.
Dieser Mann hatte eine Frau geehelicht, die er verabscheute, durch die er aber mehr Macht gewinnen konnte.
Gaborn erinnerte sich, wie sein Vater beim Tod von
Lowickers guter Frau getrauert hatte. Lowicker hingegen hatte, als seine Königin bei einem Jagdunfall, dessen nur er selbst Zeuge war, vom Pferd stürzte und starb, seine Liebe dermaßen gut vorgetäuscht, daß niemand auch nur Zweifel an der Ursache ihres Hinscheidens äußerte. Dies alles erblickte Gaborn nun tief im Herzen des alternden Königs.
Dieser Mann hielt sich für schlau und gratulierte sich häufig dazu, wie gerissen er seine Frau losgeworden war.
Dieser Mann war bestürzt, weil Gaborn nicht seine Tochter geheiratet hatte, denn er hatte gehofft, sein Schwiegersohn würde den Reichtum ebenso lieben wie er selbst, und schon seit langem hatte er sich überlegt, auf welche Weise er Gaborns Heirat und frühen Tod
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