Die Bruderschaft des Feuers
einen ähnlichen Vorfall gegeben hat. Und das liegt auch mir am Herzen, wenn auch aus ganz anderen Gründen.«
»Es handelt sich nicht um Unfälle«, erwiderte Mondino, »sondern um Morde. Wenigstens darin bin ich mir sicher. Aber ich tappe noch völlig im Dunkeln, wer das getan haben könnte und warum.«
»Und was habt Ihr über die Feuersbrunst erfahren, die über die Stadt hereinzubrechen droht? Besteht ernstlich Gefahr, oder handelt es sich nur um ein Hirngespinst?« Sie errötete heftig und fügte dann hinzu: »Wie Ihr Euch wahrscheinlich denken könnt, blieb mir im Hinterzimmer der Arzneimittelhandlung keine andere Wahl, als mitzuhören …«
»Ich glaube immer noch, dass es sich dabei um eine Fantasterei handelt, die sich dieser Mönch ausgedacht hat, um Gerardo zu beeindrucken und ihn dazu zu bringen, ihm zu helfen«, sagte Mondino und wählte dabei seine Worte mit Bedacht.
Dies war eine Lüge, aber er wollte seine Sorgen nicht mit Eleonora Lamberti teilen. Die Frau schien in seinen Gedanken zu lesen. Sie strich sich eine aus dem Knoten gerutschte Haarsträhne hinters Ohr und blickte ihm eindringlich in die Augen: »Ihr traut mir nicht, oder? Ihr glaubt, dass ich alles meinem Mann hinterbringe.«
Mondino wurde von dieser direkten Frage überrascht. Sein Instinkt sagte ihm, dass er ihr vertrauen konnte, doch die Vernunft verbot es ihm.
»Ich schätze und bewundere Euch, und das nicht erst seit heute, Madonna«, antwortete er und hielt ihrem Blick stand. »Aber Ihr seid immer noch die Gattin meines Feindes.«
Eleonora nickte. »Ich verstehe«, erwiderte sie leise. »Ich danke Euch für Eure Aufrichtigkeit. Das ist mehr, als ich erwartet hatte.«
In dem Moment begann Paolo il Tosco zu röcheln, und Mondino eilte an seine Seite. Den Zimmermann quälte wieder Atemnot. Unter den Lidern bewegten sich seine Augäpfel schnell hin und her. Plötzlich bäumte er sich auf, und danach war er schlagartig ruhig. Mondino legte zwei Finger an seine Kehle und spürte keinen Puls mehr. Das Herz war stehen geblieben. Obwohl Eleonora zugegen war, deren Worte im Zweifelsfall deutlich mehr Aufsehen erregen konnten als die seiner beiden Studenten, legte er ohne zu zögern seinen Mund an den des Zimmermanns, hielt ihm mit zwei Fingern die Nase zu und begann, ihm Luft in die Lungen zu blasen. Während er sich um den Kranken bemühte, sah er, wie die Frau ihn mit weit aufgerissenen Augen und der Hand vor dem Mund anstarrte, als würde sie mit Mühe einen Aufschrei unterdrücken. Plötzlich hustete Paolo il Tosco und atmete wieder.
»Das ist keine Hexerei«, rechtfertigte Mondino sich sofort. »Es ist eine neue Methode, die ich …«
Da bemerkte er, dass der Atem seines Patienten wieder ausgesetzt hatte, beugte sich erneut über ihn und wiederholte die Prozedur. Plötzlich öffnete Paolo il Tosco die Augen, und die beiden Männer starrten einander an. Mondino löste sich sofort von ihm und errötete, als fühlte er sich schuldig.
»Ich danke Euch für das, was Ihr getan habt«, sagte der Zimmermann ganz leise, aber dennoch deutlich vernehmbar. »Doch nun ist es genug. Lasst mich bitte gehen.«
Er schloss die Augen, und einen Moment später hob sich sein Brustkorb nicht mehr. Mondino widerstand dem Impuls, erneut einzugreifen, und blieb reglos mit herabhängenden Armen neben dem Tisch stehen. Vor einem so deutlich zum Ausdruck gebrachten Wunsch zählte nichts anderes mehr. Wenn Paolo il Tosco zum himmlischen Vater heimkehren wollte, musste man ihn ziehen lassen. Das widersprach weder dem Hippokratischen Eid noch der christlichen Wahrheit. Es ging einzig und allein darum, der Natur ihren Lauf zu lassen.
Er drehte sich zu Eleonora Lamberti um. Ihre grünen Augen versenkten sich ineinander und verstanden sich, zumindest schien es ihm so, ohne dass es dazu der Worte bedurfte. Dann blickten beide wieder zu dem Zimmermann hinüber. Auf dem Gesicht des Mannes oberhalb des Lederkragens, mit dem man den Bruch gerichtet hatte, breitete sich ein Ausdruck des Friedens aus.
Paolo il Tosco war gestorben.
Als Gerardo am Turm der Ghisilieri ankam, waren die Maurer eifrig bei der Arbeit. Ihm tat immer noch die Schulter weh, und die nasse Cotte hing schwer an ihm herunter, sodass er die Kälte noch stärker spürte. Es war ein merkwürdiger Morgen, mit plötzlich auftauchenden Nebelbänken, aus denen die Säulen der Bogengänge dunkel und einsam hervorragten, als gehörten sie nicht zu den Häusern. Wo der Nebel sich bereits verzogen hatte,
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