Die Bruderschaft des Feuers
Einzelheiten und fügte nur noch an, Pater Cherubino möge mit Wasser verdünnten Wein trinken, in dem vorher ein Stück glühendes Eisen abgelöscht wurde. Danach räusperte er sich und kam zum eigentlichen Thema.
»Ich nehme an, Ihr kennt die sogenannte ›Guidonische Hand‹?«, begann er.
»Das ist, als würde man Euch fragen, ob Ihr das Chirurgenmesser kennt«, erwiderte Pater Cherubino. »Ich war nie ein großer Sänger, aber das Studium der Musik ist Pflicht für jeden Priester.«
»Ausgezeichnet. Ich weiß nämlich überhaupt nichts darüber und benötige einige Erläuterungen von einem Fachmann.«
Mondino zog die Zeichnung der Hand aus seiner Tasche und zeigte sie ihm. »Das ist der Handabdruck eines Toten, den ich mit Tinte nachgezogen habe. Er könnte einen wichtigen Hinweis auf den Mörder enthalten.«
In knappen Worten erzählte er ihm von Bertrando Lamberti, von Giovanni da San Gimignano und auf welche Weise er in die Angelegenheit verwickelt war. Pater Cherubino wusste nichts von dem Handabdruck, doch über alles Übrige schien er genau unterrichtet zu sein.
»Sagt mir bitte alles, was Ihr seht«, bat Mondino und zeigte auf die Hand. »Verschweigt mir nicht das Geringste, selbst wenn Ihr es für belanglos haltet. Bedenkt bitte, dass Ihr mit jemandem sprecht, der von der Materie keinerlei Ahnung hat.«
Pater Cherubino betrachtete lange die Zeichnung, ehe er zu sprechen begann. »Das ist eine ziemlich grob skizzierte manus guidonis «, sagte er dann. »Was ja in Anbetracht der Umstände ihrer Entstehung auch sehr natürlich ist. Auf den Fingergliedern sind die Noten der drei Hauptoktaven eingezeichnet, doch für gewöhnlich werden in den Abbildungen für den angehenden Sänger auch jeweils die Namen der Noten notiert und die der Oktave, zu der sie gehört.«
Er sah Mondino an, und der nickte. »Fahrt bitte fort.«
»Ich sehe hier zum ersten Mal in der Mitte der Handfläche das chrismon , das Christusmonogramm. Dieses Zeichen hat mit Musik nichts zu tun.«
»Erinnert es Euch an etwas?«, fragte Mondino. »Eventuell auch an etwas, das nicht im Zusammenhang mit Musik steht?«
Der Mönch schob die Glut auf der schwarzen Steinplatte zusammen, bevor er antwortete: »An das Siegel der päpstlichen Kanzlei, an die Heeresstandarten von Konstantin dem Großen, an einige antike Münzen, an die Katakomben, die ich als junger Mann besichtigt habe … Auf jeden Fall ist es ein Symbol, das sehr stark mit Rom verbunden ist.«
Mondino nickte mit zusammengepressten Lippen. »Könnte es etwas mit dem Mithraskult zu tun haben?«
Pater Cherubinos graue Augen wurden starr und kalt. »Weshalb diese Frage?«
Mondino begriff, dass er ihm alles erzählen musste, wenn er ihn zur Zusammenarbeit überreden wollte. Er unterrichtete ihn kurz über das, was ihm Gerardo gesagt hatte, und wartete ab. Der Priester zögerte lange, ehe er sich zum Weitersprechen entschloss, dann seufzte er tief und begann: »Ihr kennt natürlich die Vision Konstantins am Vorabend der Schlacht gegen Maxentius an der Milvischen Brücke.«
»In der er sah, wie sich ein großes Kreuz vor der Sonne abzeichnete, und dazu die Schrift › In hoc signo vinces‹ – ›In diesem Zeichen wirst du siegen‹?«, fragte Mondino nach.
»Ganz genau. Obwohl die Schrift ja in Wirklichkeit auf Griechisch erschien und erst später ins Lateinische übersetzt wurde. Konstantin beschloss daraufhin, diesem Vorzeichen zu folgen, und ließ das Christusmonogramm auf seinen Standarten anbringen. Und so gewann er die Schlacht.« Pater Cherubino runzelte die Stirn. »Eusebios von Caesarea berichtet davon, dass vierzigtausend Soldaten an der Vision teilgehabt haben, daher dürften an ihrer Echtheit keine Zweifel bestehen.«
»Meines Wissens gibt es ja auch keine.«
»Oh doch!«, rief der Mönch mit blitzenden Augen aus. »Einige heidnische Geschichtsschreiber erzählen eine andere Version der Ereignisse. Die Kirche hat alles unternommen, um diese auszulöschen, und doch taucht sie immer wieder auf.« Er schüttelte entschieden den Kopf, als bereute er, das überhaupt erwähnt zu haben. »Verzeiht, aber ich möchte nicht weiter über dieses Thema sprechen.«
»Vater«, bedrängte Mondino ihn. »Hier geht es nicht darum, eine von der Kirche gestützte Wahrheit anzufechten. Im Gegenteil, es gilt, eine Sekte von Götzenanbetern zu entlarven, die Tausende Christen bei einem Brand von ungekannten Ausmaßen vernichten könnte, wenn ihr nicht Einhalt geboten wird. Ich
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