Die Bruderschaft des Feuers
sich voneinander, brachten ihre Kleider in Ordnung, und erst dann sahen sie einander im Halbdunkel an.
»Danke auch dafür«, sagte Clara und streichelte ihm über die Wange. »Jetzt muss ich gehen.«
»Sehe ich dich wieder?«, fragte Gerardo und genoss den Übergang zum vertrauten Du.
Das Mädchen schlug die Augen nieder, als suchte sie nach einem Weg, etwas Schwieriges auszusprechen. »Zu unser beider Wohl«, sagte sie dann, »aber vor allem aus Liebe zu meinem Bruder, bitte ich dich, dass du nicht mehr nach mir suchst.«
Sie wandte sich um, trat hinaus aus dem schützenden Bogengang und rannte fort durch den Regen.
ZEHN
N och in der Tür blickte Mondino nach oben zu den prall gefüllten Wolken am Himmel. Das Gewitter des Vorabends hatte nicht gereicht, alles Wasser abzuladen, das sich dort oben angesammelt hatte, aber im Moment widerstand der Regen noch der Anziehungskraft, die von der Sphäre seines auf der Erde befindlichen Elements ausgeübt wurde, und verschob den unvermeidlichen Niederschlag. Mondino machte sich in einen alten, warmen Wollmantel eingepackt auf den Weg. Den roten Talar hatte er zugunsten bequemerer Kleidung zu Hause gelassen: Er trug eine knielange Tunika aus schwarzer Kammwolle, ein ärmelloses braunes Obergewand und braune besohlte Beinlinge.
Er hatte allerdings nicht nur auf Bequemlichkeit, sondern auch auf Eleganz geachtet, denn nach dem Gespräch mit dem früheren Prior von San Pietro wollte er Taverna Tolomei in dessen Palast einen Besuch abstatten.
Als er um die Ecke in die Via San Vitale bog, pfiff ihm ein eisiger Wind um die Ohren und zwang ihn, sich die schwere Kopfbedeckung in die Stirn zu ziehen. Glücklicherweise hatte in diesen Tagen der notaio del fango eine große Säuberung der Hauseingänge und Abzugskanäle eingeleitet, sodass das Wasser in die Rinnsteine abfließen konnte und die Straße sich nicht wie üblich in einen einzigen schlammigen Morast verwandelt hatte.
Gabardino war zu Viviana gegangen, um dem Begräbnis des Zimmermanns beizuwohnen. Er war zwar immer noch von der Unschuld des Mädchens überzeugt, aber er hatte zumindest zugestimmt, sie zu fragen, ob sie etwas von den verschwundenen Knochen wüsste. Allerdings ging es ihm in erster Linie darum zu verhindern, dass Mondino es selbst tat und sie dabei mit seinen Verdächtigungen beleidigte.
Die Vorstellung, dass Viviana die Knochen bereits Azzone oder Fedrigo übergeben haben könnte, bereitete ihm ziemliche Sorgen, aber leider hatte er jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Im Moment war es viel wichtiger, den Mörder von Bertrando Lamberti und Giovanni da San Gimignano ausfindig zu machen und zu ergreifen, denn das war vielleicht die einzige Möglichkeit, den Brand zu verhindern, der Bologna bedrohte. Angesichts dieser Gefahr traten alle persönlichen Probleme in den Hintergrund. Was er Gerardo am gestrigen Tag gesagt hatte, galt auch für ihn. Er würde sich um den Diebstahl der Knochen kümmern, falls und sobald er Zeit dafür fand.
Er eilte zur Kathedrale in der Hoffnung, noch rechtzeitig einzutreffen, ehe Pater Cherubino gemäß den Anweisungen seines Onkels Liuzzo den Vormittagsimbiss zu sich nahm. Unterwegs versuchte er, noch einmal sein gesamtes Wissen zu diesem Rätsel in seinem Kopf zu ordnen.
Bei seinem Treffen mit Gerardo war herausgekommen, dass das Götzenbild, das sowohl Bertrando Lambertis Tätowierung als auch Bruder Samueles Zeichnung darstellte, Zurvàn genannt wurde und zur Götterwelt des Mithraskultes gehörte. Und dass man nach dem Tempel der Sekte, falls es ihn denn gab, unter der Erde und nahe einer Quelle mit reinem Wasser suchen musste. Außerdem konnte das Haus, das Gerardo vom Turm der Asinelli entdeckt hatte, das Gebäude sein, in dem sich der Tempel befand, aber das war nur eine Möglichkeit.
Gerardo war nicht untätig geblieben, während er selbst sich um den verletzten Zimmermann hatte kümmern müssen, und das war ein Vorteil, den Azzone nicht bedacht hatte. Doch leider hatte er noch keinen Beweis, mit dem er den Podestà, den Capitano del Popolo oder den Ältestenrat überzeugen konnte, dass der Stadt weit Schlimmeres drohte als vielleicht eine dritte von innen verbrannte Leiche.
Mondino hoffte inständig, dass der ehemalige Prior von San Pietro ihm weiterhelfen könnte. Dieser war ein äußerst gebildeter Mann, dessen Wissen die verschiedensten Bereiche von den Naturwissenschaften über die Geschichte bis zur Theologie umfasste. Wenn die Wunden an den Händen
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