Die Bruderschaft des Feuers
wurde in den Palast des Capitano del Popolo geführt, wo dieser mit über der Brust gefalteten Händen im großen Saal aufgebahrt worden war. Visdominis Leichnam war mit einem Kreis von Kerzen umgeben, um ihn herum standen düster dreinblickende Männer.
Er war wie für einen Feldzug gekleidet, mit Lederpanzer, Helm und dem Schwert am Gürtel. Alles Dinge, die ihm an dem Ort, wohin er nun ging, nichts nutzen würden. Gerardo entfernte sich von der Wache, die ihn hierhergeführt hatte, und sprach mit gesenktem Haupt ein kurzes Gebet an der Bahre.
»Ihr verfügt über Auskünfte hinsichtlich seines Todes, hat man mir gesagt«, ertönte eine Stimme hinter ihm.
Gerardo drehte sich um und sah einen großen Mann in einem Kettenhemd und Umhang. Er beschloss, sofort zur Sache zu kommen. »Ich war dabei«, erwiderte er. Dann fügte er hinzu, noch ehe die Verblüffung aus dem Gesicht seines Gegenübers gewichen war: »Kommandant, die Stadt ist in großer Gefahr, und es gilt keine Zeit zu verlieren. Ich werde das, was ich zu sagen habe, nur in Anwesenheit des Podestà und im Beisein von Magister Mondino de’ Liuzzi offenbaren. Bitte führt mich zu ihnen, dann werdet Ihr alles erfahren.«
Vielleicht hörte der Kommandant seinen Worten an, wie dringend die Sache war, vielleicht war er auch nur daran gewöhnt, schnelle Entscheidungen zu treffen. »Kommt mit mir«, sagte er, ohne ihn auch nur nach seinem Namen zu fragen.
Gerardo folgte ihm, und wenig später stand er in dem großen Saal mit dem langen Tisch, wo ihn erst vor sechs Monaten der Vorgänger des Podestà der Menge hatte ausliefern wollen, indem er ihn vom Balkon stieß. Damals war er aufs Höchste erregt gewesen, was zum einen an der erlittenen Folter lag und zum anderen daran, dass er kurz zuvor mit Bestürzung entdeckt hatte, wer der geheimnisvolle Mörder war, der die Herzen seiner Opfer in Eisen verwandelte.
Diesmal war Mondino derjenige, der einen jämmerlichen Anblick bot. Seine Kopfbedeckung war ein wenig platt gedrückt und der rote Festtagstalar war vollkommen verknittert, weil er darin geschlafen hatte, aber vor allem beunruhigte Gerardo der Ausdruck schmerzlicher Bestürzung auf seinem Gesicht.
Im Saal befanden sich sieben Personen: der Podestà, Mondino, ein hagerer Dominikaner mit ausgeprägten Wangenknochen, der von zwei Novizen begleitet wurde, ein Hauptmann der Stadtpolizei und ein junger Mann, den Gerardo kannte, weil er einer seiner ehemaligen Studiengefährten aus Mondinos Medizinschule war.
Er hatte jemand ganz anderen dort erwartet, und so wusste er zunächst nicht, was er sagen sollte. Daher brach der Kommandant das Schweigen.
»Exzellenz«, sprach er den Podestà an. »Dieser Mann sagt, dass er über wichtige Neuigkeiten hinsichtlich des Todes von Messer Visdomini verfügt. Da ich von seiner tatkräftigen Mithilfe bei der Aufklärung eines anderen Falls weiß, hielt ich es für angebracht, ihn sofort zu Eurer Exzellenz zu bringen.«
Deshalb hatte er ihn nicht nach seinem Namen gefragt. Zum ersten Mal war Gerardo nicht unglücklich über seinen ungebetenen Ruhm.
»Ich bin Gerardo da Castelbretone, Exzellenz«, sagte er. »Der Capitano del Popolo wurde gestern von einem Franziskanermönch umgebracht, der dabei selbst ums Leben kam. Mondino und ich waren zugegen, und um ein Haar wären auch wir Opfer des Mörders geworden. Aber ich nehme an, der Magister hat Euch bereits alles berichtet. Das ist allerdings nicht die wichtige Neuigkeit, die ich Euch mitteilen wollte.«
»Ich weiß, wer Ihr seid«, entgegnete der Podestà. »Auch ich habe eine Neuigkeit für Euch: Ihr und Messer de’ Liuzzi seid unter Mordverdacht verhaftet, bis diese ganze Geschichte zweifelsfrei aufgeklärt ist.«
Der Kommandant wich einen halben Schritt zurück, sodass er hinter ihm zu stehen kam, und Gerardo begriff, dass er nur darauf wartete, ihn auf ein Zeichen des Podestà festzunehmen. Er suchte Mondinos Blick, doch der Arzt schaute schmerzerfüllt auf seinen Studenten und ließ in seiner ganzen Haltung erkennen, dass ihm jetzt alles gleich war. Die Nachricht von seiner Verhaftung schien spurlos an ihm abzugleiten.
»Exzellenz«, wandte sich Gerardo deshalb wieder an den Podestà. »Ich bitte Euch, trefft keine Entscheidung, die unzählige Menschen das Leben kosten könnte, abgesehen davon, dass ein Großteil der Stadt in Schutt und Asche gelegt würde.«
»Ihr redet ständig von dieser drohenden Katastrophe«, brauste Taverna Tolomei auf und wurde laut. »Aber
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