Die Bruderschaft des Feuers
erwiderte Gerardo.
Seine beißenden Worte hatten keine Wirkung. Abdul drehte sich zu ihm um, starrte ihm in die Augen und sagte kalt: »Jedem das Seine. Den Brand zu verhindern ist Eure Angelegenheit. Ich habe andere Pflichten.«
Die Arbeiter hatten inzwischen ihre Vorbereitungen beendet und harrten nun schweigend um den Sohn des Toten geschart auf neue Befehle. Gerardo wurde bewusst, dass Abdul, obwohl er nur der Lehrling von Michele da Castenaso und jünger und unerfahrener war als der Vorarbeiter, der die Baustelle in seiner Abwesenheit leitete, in diesem Moment die Zunft der Maurer repräsentierte und seine Pflicht gemäß der Tradition erfüllen musste. Man würde es ihm nie verzeihen, wenn er sich, und sei es auch nur für kurze Zeit, entfernte.
»Bis morgen können wir nicht warten«, sagte er düster. »Könnt Ihr mir wenigstens genau beschreiben, wo das Haus ist und wie man es erkennt?«
»Das ist ganz leicht«, sagte der Sarazene. »Vom Märtyrerkreuz schaut Ihr gen Westen Richtung Porta Lame. An einer Straße, die nach rechts abgeht, werdet Ihr an der Ecke ein Haus mit einem von Doppelsäulen gezierten Portikus sehen. Biegt in diese Straße ein und zählt dann vier Häuser ab. Das fünfte ist jenes mit dem Weingarten auf der Dachterrasse. Ihr werdet es gleich an einem alten Bogentor erkennen, das zum Teil zugemauert und so verkleinert wurde, dass nun ein Mann zu Pferd gerade noch passieren kann.«
»Seid Ihr sicher, dass diesmal alles stimmt?«
»Absolut sicher. Nachdem mein Meister meine Berechnungen berichtigt hat, habe ich mich persönlich davon überzeugt. Deshalb bin ich heute auch zu spät zur Baustelle gekommen.«
Er klang ein wenig bitter, als wollte er damit andeuten, dass er auch eine gewisse Schuld an dem Unfall trüge. Gerardo begriff, dass er nichts weiter von ihm erfahren würde. Alle Hilfe, die er von der Maurerzunft erhalten konnte, hatte er jetzt bekommen. Wie der Sarazene zu Recht gesagt hatte, würden sich nun ihre Wege trennen.
Deshalb bedankte er sich bei Abdul und sagte: »Wenn alles gut geht, werde ich persönlich zum Versammlungshaus der Zunft kommen, um Michele da Castenaso ebenfalls zu danken.«
»Ausgezeichnet. Wie erfahren wir, ob Ihr erfolgreich wart?«
Gerardo zuckte mit den Achseln. »Der Brand ist vorverlegt worden. Wenn Ihr heute Nacht Flammen seht, heißt das, wir haben versagt.«
Mit einem Kopfnicken verabschiedete er sich und lief eilends in Richtung San Vitale. Zunächst musste er Mondino die Neuigkeiten mitteilen, dann würden sie sich zusammen zu dem Haus begeben.
An der Kreuzung der vier Straßen unter dem mächtigen Gewölbe des Torre dell’Arengo und in dem sich anschließenden Bogengang wimmelte es wie üblich von Verkäufern, Schreibern und Bittstellern, doch alle Geschäfte wurden unnatürlich leise abgewickelt. Die Leute reihten sich ordentlich in die Warteschlange zu den Richtern im ersten Stock des Amtsgebäudes des Podestà ein, ohne dass die Wachen eingreifen mussten. Die fliegenden Händler boten ihre Waren nur mit einladenden Gesten und einem Lächeln feil und forderten höchstens ab und zu halblaut zum Kauf auf. Die Schreiber notierten eifrig, was ihre Kunden ihnen diktierten, und als Mondino an ihnen vorbeiging, konnte er sogar das Kratzen der Federn auf dem Papier oder Pergament vernehmen.
Wachen und Soldaten der Stadt überwachten in voller Kriegsmontur, die glänzenden Schwerter an ihrer Seite, mit ernster Miene die Gegend, ungeachtet des scharfen Windes, der heftig unter dem Gewölbe hindurchpfiff, und ließen in ihrer ganzen Haltung erkennen, dass sie beim kleinsten Aufbegehren hart durchgreifen würden.
Ein Stück weiter war der Eingang des Palazzo des Capitano del Popolo wie bei Nacht so hell erleuchtet, dass der Schein der Fackeln und Öllampen sogar bis ins Innere des Hauses reichte. Nun wusste Mondino, dass man Visdominis Leiche gefunden hatte und dass man dort wahrscheinlich schon seit letzter Nacht Waffenwache hielt.
Bald würde man wegen seines Todes Ermittlungen anstellen und dabei zwangsläufig auch auf ihn kommen. Mondino sprach stumm ein Stoßgebet zum heiligen Lukas, dem Schutzpatron der Ärzte, und bat die Wachen, zum Podestà vorgelassen zu werden. Doch man teilte ihm mit unbewegter Miene mit, dass Messer Tolomei an diesem Tag niemanden empfangen würde, und daher blieb ihm keine andere Wahl, als den Grund seines Besuches zu enthüllen.
»Ich habe wichtige Neuigkeiten bezüglich des Todes von Messer Visdomini«,
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