Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
Vom Netzwerk:
Tür auf und ging hinein.
    Als Gerardo wieder zu sich kam, lag er auf einer Decke unter dem Vordach eines Hauses, das etwas nach hinten versetzt zur Straße stand. Außerhalb des schützenden Unterschlupfs fiel dichter Schnee und bedeckte Dächer und Simse. Inmitten all dieser weißen Pracht wirkte das Feuer unwirklich.
    Er war allein. Die Leute, die ihm zu Hilfe geeilt waren, hatten ihre Arbeit wohl wieder aufgenommen. Die Männer rissen mit Äxten und Spitzhacken die Wand des an das Hurenhaus angrenzenden Gebäudes ein und versuchten so, den Brand einzudämmen. Die Frauen bildeten eine Eimerkette, die genau vor ihm vorbeiführte. Die Straße hatte sich in einen Schlammsumpf verwandelt, in dem sie bis zu den Knöcheln versanken. Fast keine hatte ihre Haare bedecken können, und sie waren alle bis auf die Haut durchnässt. Eine Witwe in tiefer Trauer erzählte, dass im Pratelloviertel an drei Stellen Feuer gelegt worden war, und zwar in allen drei Fällen in Hurenhäusern. Vielleicht sei das ja eine Strafe Gottes, meinte sie. Als der erste Brand im Keller eines Gebäudes in der Nachbarschaft ausgebrochen war, schienen der Schnee und die Wassereimer die Flammen geradezu anzufachen, anstatt sie zu löschen, und sie loderten noch heller und höher.
    Die üblichen Gerüchte, die von Mund zu Mund gingen und dabei immer unglaubwürdiger wurden, dachte Gerardo. Seine Hände waren inzwischen so schwarz wie die eines Köhlers, und seine Kleider sahen so abgerissen aus wie die eines Bettlers, aber wenigstens atmete er frei und war wieder bei Kräften, wenn auch ein wenig erschöpft. Er schaute sich um und entdeckte Clara im Eingang eines Hauses, wo sie neben Masino auf dem Steinfußboden kniete. Das Feuer hatte die Temperatur in den Gassen stark erhöht, doch in ihrem gelben Kleid ohne Umhang und mit bloßen Armen musste sie vor Kälte zittern.
    Gerardo stand auf und lief zu ihr. »Es geht ihm doch gut, oder?«, fragte er besorgt. »Stell dir vor, er hat mir geantwortet, als ich ihn gerufen habe. Mit Worten, meine ich.«
    Clara nickte. »Er hat auch mit mir geredet, bevor er eingeschlafen ist«, sagte sie leise. »Er lebt, und er spricht wieder. Das verdanken wir dir.«
    Gerardo empfand tiefe Erleichterung, doch sie dauerte nur kurz. »Du hast mich angelogen«, sagte er ebenfalls leise, doch man merkte ihm seine Enttäuschung und Verachtung an. »Von wegen Dienstmagd.«
    Clara sah ihn eindringlich mit ihren großen Augen an. »Ich habe versucht, es zu verheimlichen. Dir, aber vor allem meinem Bruder. Deshalb wollte ich ihn nicht bei mir haben, nicht etwa, weil ich ihn nicht liebe.«
    »Ich habe ihn aber im Zimmer eines Hurenhauses gefunden. Wenn ich erfahren muss, dass er …«
    Eine Ohrfeige brachte ihn zum Schweigen. Und bevor er sich von dem Schmerz und der Überraschung erholen konnte, schlug ihn Clara noch einmal auf die andere Wange.
    »Wie kannst du mir zutrauen, dass ich meinen Bruder verkaufe?«, schrie sie.
    »Das sage ich ja nicht«, versuchte Gerardo sich zu rechtfertigen. »Aber dein Herr oder deine Herrin könnten …«
    »Ich hatte Masino erklärt, was ich tue, um ihm begreiflich zu machen, dass er bei dir bleiben und Mönch werden soll«, sagte Clara ohne Rücksicht darauf, wer sie hören konnte. »Als er nach seiner Flucht aus dem Waisenhaus hierhergekommen ist, hatte ich nicht das Herz ihn wegzuschicken. Und ich habe eine klare Absprache mit der Wirtin des Hurenhauses getroffen.« Sie unterbrach sich kurz, um Atem zu schöpfen, und Gerardo konnte nicht umhin, ihre aufreizende Schönheit zu bewundern, die durch die nassen Haare und das an ihrem Körper klebende Kleid noch besser zur Geltung gebracht wurde. »Ich habe versprochen, noch mehr zu arbeiten, noch mehr Kunden anzunehmen, wenn sie meinen Bruder in Ruhe lässt.«
    »Und dann bist du zu mir gekommen, damit ich aufhöre, nach ihm zu suchen.«
    »Ich bin zu dir gekommen, weil er mich darum gebeten hat«, sagte Clara und sah ihm wieder in die Augen. »Mit dem, was dann geschehen ist, hatte ich nicht gerechnet.« Zum ersten Mal senkte sie den Blick. »Es war schön.«
    Gerardo spürte, wie ihm kleinliche Worte über die Lippen kommen wollten. Er hatte geglaubt, sie sei eine ehrbare Frau, stattdessen war sie eine Dirne. Und was das Schlimmste war, sie hatte ihn vom ersten Tag an belogen. Das machte alles, was zwischen ihnen geschehen war, wertlos. Das sprach er zwar nicht aus, aber sie begriff es trotzdem.
    »Ich dachte, du wärst anders«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher