Die Bruderschaft des Feuers
Freundinnen los und lief ihm entgegen.
»Masino ist dort drinnen!«, rief sie unter Tränen. »Irgendwo im oberen Stockwerk!«
Noch bevor sie ausgeredet hatte, war Gerardo schon in Richtung Eingang losgelaufen. Niemand versuchte, ihn aufzuhalten, und gleich darauf stand er im Vorraum des Hurenhauses. Hastig eilte er weiter und kam in einen großen Saal mit Stühlen und Liegen mit Seidenüberwürfen, großen Glutbecken in der Mitte und ganz hinten einer Wendeltreppe aus Holz. Der Duft von parfümiertem Harz war unter dem Brandgeruch noch wahrzunehmen.
Neben einem Diwan standen drei mit Wasser gefüllte Eimer. Die Leute im Raum hatten wohl anfangs gedacht, im oberen Stockwerk sei nur ein kleiner Brand ausgebrochen, und hatten etwas Wasser geholt, um ihn zu löschen. Dann, als sie begriffen hatten, dass das gesamte Haus in Flammen stand, hatten sie sich rasch nach draußen in Sicherheit gebracht.
Als er das untere Ende der Wendeltreppe erreicht hatte, sah Gerardo sich um, wobei er sich eine Hand vor den Mund hielt, um seine Lungen vor dem Rauch zu schützen. Den großen Saal hatten die Flammen noch nicht erreicht, aber es würde nicht mehr lange dauern. Dann würden die Seidenüberwürfe und die Holzmöbel im Nu Feuer fangen und ihm den Rückweg abschneiden.
Er zögerte und ging sogar ein paar Schritte wieder zurück Richtung Eingang, bevor er sich bewusst wurde, was er da tat. Als er sein Gelübde als Templer abgelegt hatte, hatte er sich bereit erklärt, im Kampf für die Verteidigung seines Glaubens zu sterben, und jetzt ließ er sich von einem Brand einschüchtern. Er nahm ein Seidentuch, tauchte es in einen der Eimer und wand es sich um den Kopf. Das feuchte Tuch vor dem Mund erleichterte ihm das Atmen.
Dann ging er zur Treppe zurück und stieg sie zur Hälfte hinauf. Von oben schlug ihm eine intensive Hitze entgegen, und der Rauch war dort dichter.
Er versuchte, Masino zu rufen, obwohl er genau wusste, dass ihm niemand antworten würde, weil der Junge ja stumm war. Gerardo füllte seine Lunge mit Luft, und ohne zu zögern zwang er seine Beine, auch die letzten Stufen hinauf zu nehmen. Als er erneut nach Masino rief, erhielt er auf einmal aus einem Raum in der Mitte des Flurs eine leise Antwort: »Ich bin hier!«
Gerardo spürte, wie sein Herz leicht wurde. Mit einer Hand hielt er das Tuch vors Gesicht und rannte auf das Zimmer zu. Der Vorhang, der anstelle einer Tür den Eingang verdeckte, stand schon in hellen Flammen. Er vergeudete keine Zeit mit einem Versuch, den Brand zu löschen, sondern schob das Tuch entschlossen beiseite, wobei er sich die Hand verbrannte, und ging hinein. Masino saß im Fenster, seine Füße hingen schon draußen, als wollte er hinunterspringen.
Der junge Mann hob ihn hoch und freute sich, als er spürte, wie die kleinen Hände sich um seinen Nacken schlangen, dann verhüllte er den Kopf des Jungen ebenfalls mit dem Seidenstoff und lief rasch die Treppe hinunter, die schon ein wenig Feuer gefangen hatte. Er hastete die Stufen mit einer Geschwindigkeit hinab, die ihn selbst überraschte, durchquerte den großen Saal und den Vorraum auf schon wackeligen Beinen, weil er keine Luft bekam, und schließlich hatte er es geschafft, er war draußen. Er nahm undeutliche Schreie wahr, Körper, die sich irgendwie bewegten, aber vor allem spürte er, wie frische Luft sein Gesicht streifte und in seine Lungen drang. Dann sank er auf die Knie, den Jungen noch im Arm, und ihm wurde schwarz vor Augen.
In seinen schwarzen Umhang gehüllt, der das Schwert an seinem Gürtel verbarg, löste sich Azzone aus dem schützenden Schatten der Bogengänge auf der Höhe der Porta Ravegnana und lief barhäuptig vorwärts, ohne auf die Schneeflocken zu achten, die sich auf seine langen blonden Locken legten, aber dort sofort schmolzen.
Obwohl es Abend geworden war, wimmelte es auf den Straßen vor Menschen. Anscheinend waren in einigen Vierteln der Stadt, auch in der Nähe seines eigenen Hauses, Brände ausgebrochen. Doch Azzone dachte nicht im Entferntesten daran nachzusehen, ob sein Hab und Gut unversehrt war. Die Dienstboten waren genau angewiesen, was sie zu tun hatten, wenn ein Krieg oder nur ein Brand ausbrach. Seine Frau würde nicht in der Lage sein, sie dabei zu beaufsichtigen, so wie er sie zugerichtet hatte, aber Azzone wusste genau, dass niemand es wagen würde, seine Anordnungen zu missachten oder sich widerrechtlich etwas anzueignen.
Natürlich war es immer besser, wenn das Auge des Herrn in
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