Die Bruderschaft des Feuers
ausbreitenden Blutlache lag. Es zählte einzig diese Begegnung zwischen Vater und Sohn, und Mondino fühlte beinahe Dankbarkeit gegenüber Azzone, dass er den Anlass dazu gegeben hatte.
»Ich bitte Euch, reden wir nicht mehr von Schuld«, sagte Gabardino schließlich. »Jeder trägt seinen Teil daran. Jetzt lasst uns von hier weggehen und nur noch nach vorne sehen.«
Mondino nickte stumm, zu bewegt, um etwas zu sagen. Plötzlich erstarrte sein Sohn und legte einen Finger auf die Lippen. Mondino lauschte und hörte das Geräusch. Jemand hatte die Schule betreten und näherte sich, ohne darauf zu achten, ob ihn jemand hörte. Schweigend beugte er sich nach unten und hob das Schwert auf.
»Magister, ich bin es!«, hörte er Gerardo rufen. »Seid Ihr da?«
Mondino entspannte sich. »Komm nur, wir sind hier.«
Der Jüngling kam durch das Loch in der Wand. Sein Blick fiel sofort auf den Toten, der mit durchschnittener Kehle auf dem Boden lag. »Was ist geschehen? Wer ist der Tote? Warum habt Ihr Euch verkleidet?«
Mondino machte es kurz. »Azzone Lamberti hat bekommen, was er verdiente. Was mein Gewand betrifft, das ist unwichtig. Warum bist du hier? Ich dachte, du wärst im Pratelloviertel, um dort bei der Bekämpfung der Brände zu helfen.«
»Das stimmt. Aber aufgrund einer neuen Entwicklung kam ich zufällig an der Medizinschule vorbei. Und als ich die Tür offen fand, bin ich hineingegangen, um nach Euch zu sehen.«
»Was für eine neue Entwicklung?«
Gerardo holte tief Luft, bevor er etwas sagte. »Magister, vielleicht weiß ich, wer der Pater ist«, erklärte er dann. »Wir müssen sofort aufbrechen, wenn ich recht habe, können wir ihn noch aufhalten.«
Der Mönch betrat das Arbeitszimmer des Inquisitors mit einer knappen Verbeugung, grüßte und wartete ab, dass Marcello da Verona von dem Dokument aufschaute, in dem er gerade las. Das Fenster war geschlossen, dennoch kam der Wind durch die Ritzen der Läden hindurch und drohte, jeden Augenblick das Licht des Kerzenleuchters auszulöschen, das die auf dem Tisch aus Walnussholz ausgebreiteten Papiere erhellte. Die Flamme der Öllampe am anderen Tischende zitterte hingegen nicht im Geringsten, und der Mönch fragte sich unwillkürlich, warum Pater Marcello nie daran gedacht hatte, den Tisch aus dem Luftzug zu stellen, seit er dieses Arbeitszimmer in Besitz genommen hatte.
»Was bringt Ihr mir für Neuigkeiten, Pater Luigi?«, fragte der Inquisitor plötzlich, ohne aufzuschauen. »Habt Ihr den jungen Mann begleitet, um auf unser Betreiben Mondino de’ Liuzzi anzuklagen?«
»Selbstverständlich. Ich war schon einmal hier, um Euch in Kenntnis zu setzen, aber ich habe Euch nicht angetroffen.«
»Ich habe in meiner Zelle gebetet. Wie ist es verlaufen? Erzählt mir alles.«
Der Mönch berichtete, was sich im Palazzo des Podestà abgespielt hatte, ohne sich zu lange damit aufzuhalten. Dennoch ließ er keine Einzelheit aus, wie er es bei Pater Marcellos Vorgänger gelernt hatte. Der Inquisitor hörte ihm aufmerksam zu, und seine kastanienbraunen Augen lösten sich nicht einen Moment von Pater Luigis Gesicht.
»Messer de’ Liuzzi muss begreifen, dass die Wissenschaft nicht über allem steht«, sagte er plötzlich. »Päpstliche Bullen sind unbedingt zu respektieren.«
Der Mönch, der vor ihm stand, überraschte sich bei dem Gedanken, wie das Amt des Inquisitors diejenigen, die es antraten, auf manche Weise veränderte. Pater Marcello war bis vor sechs Monaten ein freundlicher Kantor gewesen. Zwar hatte er sich seine gute Laune noch bewahrt, doch konnte man nun an ihm eine neue Härte entdecken.
Als er zu der Stelle kam, wie der Podestà sich erboten hatte, Mondino sofort zu verhaften, zitterte seine Stimme unwillkürlich, und er rechtfertigte sich hastig: »Ich war der Meinung, es könnte uns nützlich sein, ihm die Zeit zu lassen, den Beweis anzutreten, dass der bewusste Franziskanermönch den Capitano del Popolo tatsächlich getötet hat.«
Der Inquisitor ließ ihn eine Weile zappeln, bevor er seufzte: »Ihr habt recht daran getan. Was ist dann geschehen? Ich nehme doch an, Ihr habt sie begleitet …«
Der Mönch spürte, wie seine Knie plötzlich nachzugeben drohten. »Ich habe es vorgezogen, sofort herzukommen, um Euch davon zu unterrichten, Vater. Zumal ich noch eine wichtige Nachricht für Euch hatte. Doch als ich herkam, habe ich Euch nicht angetroffen, deshalb wollte ich das Kloster schon wieder verlassen, aber dann sind die Brände, von denen der
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