Die Bruderschaft des Feuers
starrte sie an wie im Fieber. Seine rechte Augenbraue zuckte leicht. Eleonora erkannte den Blick. In diesem Augenblick waren Azzone sowohl Mondino als auch der Tod seines Vaters völlig gleichgültig, falls Letzterer ihm überhaupt etwas bedeutete. Er wollte nur seinen Zorn abreagieren. Sie bemerkte, wie er sich umsah, auf der Suche nach etwas, womit er sie schlagen konnte. Seine Augen blieben an einer antiken Vase aus Faenza hängen, in der einige Spazierstöcke des alten Mannes standen, und Eleonora fühlte, wie ihr Kinn zitterte. Ihr ganzer Stolz fiel in sich zusammen, und sie starrte den Bogen an, der in den Flur führte. Doch wenn sie jetzt floh, würde sie ihn nur noch mehr erregen. Das hatte sie schon einmal erlebt. Er hatte sie im Schlafzimmer eingeholt, und das war noch schlimmer gewesen.
»Bitte«, flehte sie.
Azzones Hand lag schon an dem dünneren Eschenholzstock mit dem geschnitzten Knauf. In zwei Schritten war er über ihr, der erste Schlag traf sie im Rücken und nahm ihr den Atem. Eleonoras Augen füllten sich mit Tränen, und sie presste die Lippen aufeinander, um nicht laut zu schreien. Sie wusste genau, dass ihr Mann sie dann noch heftiger schlagen würde, aber sie war entschlossen, der Dienerschaft nicht das unwürdige Schauspiel ihrer Schreie zu bieten.
Azzone schlug noch einmal auf sie ein, sodass sie auf die Knie fiel. Während sie noch versuchte aufzustehen, trat er nach dem Arm, mit dem sie sich aufstützte, und sie prallte mit der Stirn auf den Holzfußboden. Der dritte Schlag traf ihr Gesäß. Ihr entfuhr ein schmerzliches Röcheln, aber sie bewegte sich nicht. Sie wusste genau, was passieren würde, und wenn sie versuchte, dem zu entgehen, würde es die Qual nur verlängern.
»Hoch mit dem Rock«, befahl Azzone nun wirklich. Sie gehorchte, und es hagelte heftige Schläge auf ihren nackten Hintern, aber auch auf den Rücken, die Schenkel und die Schultern. Eleonora biss die Zähne zusammen und weinte vor Schmerzen und Scham. Plötzlich war Azzone keuchend über ihr. Er verhedderte sich in seinem Leinenhemd und riss es mit einem trockenen Geräusch herunter, dann nahm er sie von hinten wie ein Tier, während Eleonoras Tränen die Dielen des Fußbodens tränkten. Am meisten schmerzte es sie, dass ihr Gemahl, der Mann, den sie vor Gott geheiratet hatte, sich daran aufgeilte, sie eine »dumme, unfruchtbare Hündin« zu nennen.
Gerardo ging in die Hocke, um auf einer Höhe mit Masino zu sein. Er sah ihm in die Augen und wiederholte seine Frage: »Möchtest du wirklich nicht mehr hierbleiben?«
Der Junge zögerte und senkte den Blick, als hätte er begriffen, dass die Frage wichtiger war, als es den Anschein hatte, und er genau darüber nachdenken wollte, bevor er sie beantwortete.
Gerardo wartete geduldig, und kurz darauf hob Masino den kahlgeschorenen Kopf und schüttelte ihn. Zwei Mal.
»Wegen deiner Schwester, oder?«
Der Junge nickte augenblicklich.
Claras Besuch hatte ihn vollkommen verwirrt. Wer weiß, auf welche Weise sie ihm erklärt hatte, dass sie ihn nicht so oft besuchen kommen konnte. Gerardo war trotz ihres Ausbruchs von heute Morgen überzeugt, dass sie Masino gernhatte, aber offensichtlich konnte sie mit der Stummheit des Jungen nicht umgehen.
»Sie arbeitet bei einer Familie und kann nicht frei über ihre Zeit verfügen. Das verstehst du doch?«
Diesmal schüttelte der Junge nicht den Kopf, aber er nickte auch nicht. Er blieb still sitzen und starrte auf den Boden.
Gerardo presste die Lippen aufeinander. Er brauchte gar nicht erst so zu tun, als verstünde er ihn nicht. Für Masino war seine Schwester nicht nur das einzige Mitglied seiner Familie, das ihm geblieben war, sondern sie bedeutete gleichzeitig die Erinnerung an eine vielleicht glückliche Zeit, bevor man ihn geraubt und verkauft hatte. Und es musste dem Jungen ein dringendes Bedürfnis sein, in diese Zeit zurückzukehren, um das auszulöschen, was inzwischen geschehen war. Eine einzige Frage hatte ihm Gerardo nie direkt gestellt. Er war sicher, dass Masino sie erwartete, und nach dem, was Clara ihm heute Morgen erzählt hatte, konnte er sie nicht mehr länger aufschieben.
»Würdest du gern bei ihr wohnen?«
Der Junge hob den Kopf und sah ihm beinahe erschrocken in die Augen. Erschrocken, dass jemand seine inständigste Hoffnung erraten hatte.
Und dass sie vielleicht enttäuscht würde.
Obwohl Masino nicht sprach, konnte er sich gut verständlich machen. Gerardo hatte geglaubt, er sei von Geburt an
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