Die Bruderschaft des Feuers
wurde.« Unwirsch fuhr er mit der Hand durch die Luft, als wollte er so einen sarkastischen Kommentar im Keim ersticken. »Es ist nicht so, wie Ihr denkt. Venanzio war ein unerschütterlicher Mann des Glaubens. Er ging nur als Beichtvater zu diesen unglücklichen Frauen.«
»Das bezweifele ich nicht«, erwiderte Gerardo gelassen. »Aber ich versichere Euch, dass ich nichts mit seinem Tod zu tun habe.«
Der Mönch riss Augen und Mund auf vor Überraschung. »Nein, nein, das meinte ich doch nicht, ich wollte Euch doch nicht beschuldigen!«
»Warum seid Ihr also hier, und das zu dieser späten Stunde?«
»Heute Morgen«, antwortete der Mönch aufgewühlt, »hatte ich Euch nicht erkannt. Ich glaubte zwar, ich hätte Euch schon einmal gesehen, aber erst als Euch dieses Mädchen gerufen hat, habe ich mich erinnert, wer Ihr seid.« Er starrte ihn an, in Erwartung einer Bestätigung. Doch Gerardo schwieg, und deshalb fuhr er fort: »Ihr habt vor einigen Monaten dieses schreckliche Rätsel gelöst. Als ich Euren Namen gehört habe, habe ich auch gewusst, wo ich Euch finden werde. Der Grund für meinen Besuch ist schnell erzählt: Ich hoffe, dass Ihr mir helft herauszufinden, wer Pater Venanzio ermordet hat.«
Gerardo begriff, dass er jetzt Entschlossenheit beweisen musste. Dieser junge Mann zeigte alle Anzeichen von geistiger Überspanntheit, was sich als gefährlich erweisen konnte, wie er in seiner Zeit als angeblicher Medizinstudent gelernt hatte.
»Bruder Samuele«, erklärte er ruhig, aber entschieden. »Morde unterstehen der Verantwortung des Podestà und des Capitano del Popolo. Ich war zwar heute Morgen mit Messer Visdomini unterwegs, aber ich habe nichts …«
»Messer Visdomini wird nichts unternehmen«, unterbrach ihn der Mönch. »Eine solche Untersuchung würde nur einen Skandal heraufbeschwören, den niemand sich wünscht, vor allem nicht der Pater Guardian unseres Klosters.«
»Vielleicht habt Ihr recht, aber das ist kein guter Grund, die Gerechtigkeit in die eigene Hand zu nehmen. Wenn Ihr über nützliche Informationen verfügt, die Licht in den Tod Eures Mitbruders bringen können, müsst Ihr zu den Richtern gehen.«
»Aber ich komme zu Euch«, sagte Samuele entschieden. »Und wisst Ihr auch, warum?«
»Sagt es mir.«
»Weil Ihr ein Mönch seid.« Samuele hob beschwichtigend eine Hand. »Ja, ich weiß, der Orden der Tempelritter existiert eigentlich nicht mehr. Und ich weiß auch, dass Ihr Eure Gelübde nicht erneuert habt. Doch Ihr lebt immer noch im Kloster, wenn auch als Laienbruder. Olim monachus, monachus semper , einmal Mönch, immer Mönch. Ihr seid ein Mann der Kirche, und ich bitte Euch, mir dabei zu helfen, Licht in den Tod eines anderen Mitbruders zu bringen, weil die weltliche Gerichtsbarkeit keinen Finger rühren wird. Ich bitte Euch.«
Wie jedes Mal, wenn jemand die Auflösung des Templerordens ansprach, die bereits eine Tatsache war, obwohl der Papst sie noch nicht offiziell durch eine Bulle verkündet hatte, zog sich Gerardos Herz zusammen. Im Grunde war er nie wirklich ein Ritter des Templerordens gewesen, denn kaum hatte er die Gelübde abgelegt, hatte er vor der Verfolgung durch Philipp den Schönen fliehen müssen. Aber vielleicht litt er gerade durch diesen Umstand noch mehr darunter, dass sein Jugendtraum ein so jähes Ende gefunden hatte.
Doch das war jetzt nicht der passende Moment, um darüber nachzudenken. Er wollte keinen Ärger heraufbeschwören, indem er einen hysterischen Mönch vor die Tür setzte, der in seinem Zustand vielleicht draußen herumschrie oder laut an die Pforte klopfte und damit alle aufweckte. Daher beschloss er, Zeit zu gewinnen.
»Hört, Bruder Samuele, ich muss darüber nachdenken. Kommt morgen früh wieder, dann werde ich Euch sagen können …«
»Inzwischen hat man meine Abwesenheit im Kloster sicher bemerkt«, unterbrach ihn Samuele wieder. »Mein Pater Guardian wird mich bestrafen, und in den nächsten Tagen werde ich das Kloster nicht verlassen können. Doch bevor Ihr ablehnt, seht Euch dies an.«
Mit nervösen Bewegungen fingerte er unter seiner Kutte herum, als würde er das Gesuchte nicht finden, und sein Gesicht zeigte zunächst Erschrecken, bevor sich Erleichterung darauf ausbreitete. Seine Hand umklammerte ein gefaltetes Stück Konzeptpapier. Samuele hielt es in den Schein der Kerzenflamme, und Gerardo blieb der Mund offen stehen vor Überraschung.
»Woher habt Ihr das?«, fragte er leise.
Die Kohlezeichnung auf dem Papier zeigte
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