Die Bruderschaft des Feuers
ein geflügeltes Ungeheuer mit einem Löwenkopf, um dessen Körper sich eine Schlange wand. Dazwischen ragten die Hände dieses Monsters hervor, und jede hielt einen großen Schlüssel in der Faust.
VIER
A zzone lief in dem geräumigen Raum auf und ab, der früher das Arbeitszimmer seines Vaters gewesen und jetzt seines war. Die Entscheidung des Podestà, Mondino eine Woche Zeit zu lassen, um Bertrandos Leiche wiederzufinden, hatte ihn zwar völlig überraschend getroffen, doch er hatte keine Zeit verschwendet. Fedrigo Guidi war einer der besten Anwälte von Bologna und würde ihm schon raten, was zu tun war.
Er würde kommen, obwohl heute Sonntag war. Schließlich war er nicht nur Anwalt, sondern auch sein Vetter.
Der Seidenhändler nahm die Fensterbespannung fort und stellte sich an die Öffnung. Die Luft roch nach Schnee, doch die dunklen Wolken, die düster und schwer über der Stadt hingen, sahen eher nach schweren Regengüssen aus als nach einem Schneesturm. Hinten auf der Straße erkannte er die hochgewachsene, in einen schwarzen Mantel gehüllte Gestalt Fedrigos, der sich seinen Weg durch die Menge bahnte, wobei seine Hakennase aus dem Gesicht vorragte wie der Bug eines Schiffes.
Azzone ließ das Fenster offen und setzte sich an den Tisch, auf den Schemel, den er aus einem anderen Raum geholt hatte, um den Stuhl seines Vaters zu ersetzen. Er war froh, dass er jenen Lehnstuhl nicht geerbt hatte, an dem der alte Mann so gehangen hatte. Er hätte ihn genauso wenig ertragen wie seinen Vater, und er hoffte, ihn nie wiederzusehen.
Mit ein wenig Glück würde genau dies eintreten: Leiche wie Stuhl würden nie wieder auftauchen. Azzone fühlte einen Anflug von Scham bei diesem Gedanken. Er war doch kein Ungeheuer, und obwohl er seinen Vater verabscheut hatte, bedauerte er es, ihn nicht beerdigen zu können. Doch die Tatsache, dass die Leiche verschwunden war, verschaffte ihm wenigstens die Gelegenheit, seine Rechnung mit Mondino de’ Liuzzi zu begleichen. Vor zwei Jahren, als dieser unfähige Medikus seinen einzigen Sohn hatte sterben lassen, konnte er sich nicht dagegen wehren, weil Fedrigo erklärt hatte, ein Prozess gegen einen Arzt wäre schon im Vorhinein verloren. Wenn man jeden Arzt anklagte, nach dessen Behandlung der Patient gestorben war, würde es in Bologna bald keine Ärzte mehr geben.
Diesmal lagen die Dinge mit Mondino anders, aber Azzone war nicht sicher, wie er am besten vorgehen sollte. Er brauchte den Rat eines erfahrenen und diskreten Rechtsanwalts, und Fedrigo war genau der Richtige dafür. Schade nur, dass er ein so unangenehmer Zeitgenosse war.
Er stand wieder auf, trat durch den Türbogen auf den Flur hinaus und fragte sich, wie lange dieser Mann nur brauchte, um die kurze Entfernung zwischen ihren beiden Wohnsitzen zurückzulegen. Zu Fedrigos seltsamen Angewohnheiten gehörte, dass er seine Klienten zu Hause aufsuchte, anstatt sie in seinem Büro zu empfangen wie viele andere Anwälte. Aber vielleicht lag es einfach daran, dass er ausschließlich bedeutende Klienten hatte, Edelleute und reiche Kaufleute, die diesen Unterschied zu schätzen wussten und bei der Begleichung der Rechnung niemals Schwierigkeiten machten.
Endlich hörte er Schritte auf der Treppe und setzte sich schnell wieder hinter den Tisch, um nicht den Anschein zu erwecken, er hätte ihn ungeduldig erwartet. Annina, die Kammerzofe seiner Frau, erschien auf der Türschwelle und meldete: »Messer Fedrigo Guidi.« Dann trat sie beiseite, ließ den Anwalt vorbei und zog sich geräuschlos zurück, doch vorher zwinkerte sie Azzone lächelnd zu, was ihm gar nicht behagte. Was die sich bloß einbildete, bloß weil er sie einige Male benutzt hatte, um seine fleischlichen Begierden zu befriedigen. Das nächste Mal würde er den Geschlechtsakt mit ein paar Peitschenhieben würzen, damit sie begriff, wo ihr Platz war.
»Einen schönen Sonntag«, wünschte Fedrigo. Er trug ein langes schwarzes Gewand, das er sommers wie winters nicht ablegte. »Ich bin so schnell wie möglich hierhergeeilt.«
Azzone verkniff sich eine unhöfliche Antwort, die ihm auf der Zunge lag, und hieß ihn mit einem Lächeln willkommen. Doch einen kleinen Seitenhieb konnte er sich nicht verkneifen: »Leider konnte ich aufgrund der Ereignisse im Arbeitszimmer noch keine Ordnung schaffen«, sagte er entschuldigend. »Erst jetzt merke ich, dass es hier keine weiteren Stühle gibt. Wenn du möchtest, lasse ich dir einen aus dem Erdgeschoss bringen, aber ich
Weitere Kostenlose Bücher