Die Bruderschaft des Feuers
möchte nicht deine kostbare Zeit verschwenden.«
»Lass nur«, erwiderte Fedrigo. »Es ist schon gut so.« Er näherte sich dem Tisch, setzte sich auf eine Kante und vereitelte so den Versuch, ihn zum Stehen zu zwingen. »Aber jetzt hör auf mit deinen Spielchen und sag mir, was du von mir willst. Ich habe nicht den ganzen Morgen für dich Zeit.«
Azzone nickte. Das Verhalten seines Vetters ärgerte ihn, denn irgendwie schaffte der es immer wieder, ihn herablassend zu behandeln. Doch heute war nicht Fedrigo sein Feind, und er beschloss, sofort zur Sache zu kommen.
»Du weißt, was mit meinem Vater geschehen ist, richtig?«
»Wer denn nicht? Vorgestern hat der Podestà seinen Leichnam durch die Straßen der Stadt tragen lassen. Die Nachricht darüber wird inzwischen bis nach Modena vorgedrungen sein. Stimmt es eigentlich, was man sich erzählt?«
»Dass er bloß noch ein verkohltes Skelett war, meinst du, obwohl nichts in seiner Umgebung Feuer gefangen hat?«
»Ja. Das erscheint mir unglaublich.«
»Mir geht es ebenso. Ich habe es nicht gesehen, aber alle erzählen das Gleiche, deshalb muss es wohl stimmen.«
»Und niemand hat eine Erklärung dafür gefunden? Weiß man wenigstens, ob es sich um Tod durch Zauberei handelt oder um einen natürlichen Tod?«
»Einen natürlichen Tod? Was sagst du da?«
Fedrigo hob eine Hand, um ihn zu beschwichtigen. »Einmal habe ich die Leiche eines Mannes gesehen, den ein Blitzschlag getötet hatte. Die Kleider waren zu Fetzen zerrissen, die Münzen in seiner Tasche geschmolzen, doch sein Körper war unversehrt geblieben.«
»Nun, im Fall meines Vaters hat sich das Gegenteil ereignet, soweit ich weiß. Der Körper ist zu Asche verbrannt, doch der Stuhl unter ihm nicht.«
»Ich weiß. Aber das könnten bislang unbekannte Auswirkungen eines Blitzeinschlags gewesen sein.«
In diesem Augenblick begannen draußen vor dem Fenster vereinzelt erste Schneeflocken zu fallen. Azzone fuhr sich ungeduldig mit der Hand durch die Haare.
»Die Justiz wird das schon herausfinden, Fedrigo. Im Augenblick interessiert mich ausschließlich, dass der Hauptverantwortliche für diesen Skandal nicht ein zweites Mal ungeschoren davonkommt.«
Fedrigo nickte. »Ich verstehe, du willst meine Hilfe, um eine Anklage gegen Mondino de’ Liuzzi anzustrengen.«
»Ich habe ihn schon angezeigt.«
Fedrigo setzte sich bequemer auf die Tischkante, ließ die Beine hinunterbaumeln und seufzte: »Dann kann ich dir nicht helfen.«
»Machst du Witze?«
»Keinesfalls. Man sollte nie gerichtliche Schritte unternehmen, ohne vorher einen Anwalt konsultiert zu haben. Ich weiß doch, was geschehen wird. Mondino ist unangreifbar, und ihn anzuklagen heißt nur zu verlieren. Und ich nehme keinen Fall an, der von Anfang an verloren ist.«
Azzone kochte fast die Galle über. Er musste sich mehrmals in Erinnerung rufen, dass sein Vetter einer der besten Advokaten der Stadt war und dazu ein Verwandter, dem die Interessen der Familie am Herzen lagen, weshalb er sich auf keinen Fall mit ihm zerstreiten durfte.
»Lass mich bitte ausreden. Es geht hier nicht nur um die Schmach, die man der Leiche meines Vaters angetan hat, indem man ihn wie eine Jahrmarktsattraktion durch die Straßen der Stadt getragen hat. Ich weiß genau, dass Mondino sich abgesichert hat, indem er alle wesentlichen Aussagen vor Zeugen gemacht hat. Doch jetzt hat sich sein falsches Spiel gegen ihn gewandt.«
»Wie meinst du das?«
»Die Leiche des alten Mannes ist aus seiner Medizinschule verschwunden, während er für sie verantwortlich war. Deswegen habe ich ihn angezeigt.«
Dieses Mal blieb Fedrigo der Mund offen stehen, und Azzone genoss stumm dessen Verblüffung. Dann sah ihn sein Vetter auf einmal verschlagen und misstrauisch an.
»Was ist denn?«
»Wenn es so ist, wie du sagst, ist das bestimmt eine Basis für ein weiteres Vorgehen«, sagte Fedrigo langsam. »Aber ich kann dir meine Hilfe nicht zusagen, bevor du mir nicht eines sagst, und zwar ganz ehrlich.«
»Was willst du wissen?«, fragte Azzone verwundert.
Fedrigo sah ihn durchdringend an, doch er ließ sich nichts anmerken. »Hast du die Leiche gestohlen?«
Azzone verlor die Beherrschung. Er sprang auf, packte den Vetter mit einer Hand am Kragen und verpasste ihm mit der anderen zwei Ohrfeigen. »Du Hund!«, schrie er. »Wie kannst du es wagen?« Dann ließ er ihn los und stieß ihn zurück. Fedrigo rutschte vom Tisch und schwankte, es gelang ihm aber, sich auf den Beinen zu
Weitere Kostenlose Bücher