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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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er sich, wenn er seine eigenen Maßstäbe auf sich anwandte, in ein Ungeheuer verwandelt? Hatte er den Verstand verloren? War es das, was Sophia ihm sagen wollte?
    Soph … Hatte sie es die ganze Zeit kommen sehen? Wußte sie mehr über ihn als er selbst? Dies war ein beunruhigender, neuer Gedanke: daß es jemanden geben konnte, der mehr über ihn wußte als er selbst. Er war immer völlig über sich im Bilde … Er war auf seine solide Selbsteinschätzung immer stolz gewesen. War er verrückt geworden? Wußte Sophia, daß er verrückt geworden war? In der letzten Zeit schien sie vieles zu wissen …
    Es war Unfug, eine solche Frau zu belügen! Bevor er das Baby getötet hatte, hatte er sie noch nie belogen, hatte noch nie das Bedürfnis dazu verspürt. Und jetzt …
    Fraden fluchte, er ballte die Fäuste. Während die Zweifel an ihm nagten, wurde eine Gewißheit immer deutlicher: Sophia verdiente es, die Wahrheit zu wissen. Wenn er ihr die Wahrheit sagte, vielleicht … Vielleicht würde dann all dieser Unsinn verwehen, würden all diese albernen Zweifel verschwinden.
    Steh nicht so blöde da, du Idiot, beschimpfte er sich. Wenn du in Not bist, dann schrei!
    Er wandte sich hastig um und ging in die Hütte.
    Sophia hatte direkt hinter der Tür gestanden. Sie sah ihn an, und ihre Augen weiteten sich, ihr Mund öffnete sich ungläubig, und Fraden fragte sich, wie sein Gesicht in diesem Augenblick aussehen mochte. Konnte man daraus lesen, was er in dieser Stunde fühlte?
    „Soph …?“ sagte er. „Habe ich mich verändert?“
    „Verändert?“ fragte sie. Ihre Stimme verriet soviel von ihren Gedanken wie die Stimme eines Automaten. Er musterte ihr glattes Gesicht, ihre großen, grünen Augen, und zum erstenmal fragte er sich, was wohl wirklich hinter dieser Maske aus Fleisch und Blut vorgehen mochte. Zum erstenmal war es ihm wichtig.
    „Soph …“ stammelte er. „Sehe ich wie ein Mörder aus?“
    Sie lachte und sah ihn sonderbar an. „Ich habe noch nie jemanden gesehen, der weniger nach einem Mörder aussah“, sagte sie. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Mörder sehen keine Geister – ich weiß das, weil ich einmal mit einem Mörder zusammengelebt habe. Ein Mörder würde nie eine solche Frage stellen. Kugelkopf ist ein Mörder; kannst du dir vorstellen, daß er eine solche Frage stellt?“
    Fraden sah sie erstaunt an. Sie hatte recht, sie hatte verdammt recht! Er mußte ihr die Wahrheit sagen. Irgend etwas in der Art, wie sie dastand, wie sie den Kopf schief legte und wie sie daraufwartete, daß er etwas sagte, ließ ihn spüren, daß sie ihn irgendwie, sei es zum Guten oder zum Schlechten, verstehen würde.
    „Ich habe dich belogen“, sagte er. „Ich habe dich die ganze Zeit hindurch belogen. Weißt du, wer Moro die Idee eingegeben hat, daß er die Tiere in den Wahnsinn foltern soll, um danach aus ihrem Blut Omnidren zu gewinnen? Ich habe ihm dies Hirngespinst eingeredet, weil die Tiere für meine Zwecke nicht verzweifelt genug waren!“ Er stellte fest, daß er besonders abfällig sprach – wollte er sie dazu herausfordern, daß sie ihn verurteilte? „Und es war meine Idee, die Gehirne töten zu lassen, damit die Dorfbewohner hungern mußten. Meine Idee! Glaubst du wirklich, daß ich nicht gemerkt hätte, was aus Willem geworden ist? Natürlich habe ich es gewußt. Ich brauchte jemanden, der das Ungeheuer spielte, ich habe ihn benutzt!“
    „Warum erzählst du mir dies alles?“ fragte sie abrupt. „Warum erzählst du mir all dieses Zeug, das ich schon längst kenne?“
    „Du wußtest …?“ Er starrte sie betroffen an.
    „Was glaubst du eigentlich, mit wem du redest?“ sagte sie. „Meinst du, ich bin total blind? Liebe Güte, Bart, was habe ich denn in den letzten Monaten immer wieder zu dir gesagt? Und ich wette, ich weiß auch schon, was du mir als nächstes sagen willst: Bei dieser Einführungszeremonie … da hast du einen Menschen getötet, nicht wahr? Ich kenne die Männer; es stand dir im Gesicht geschrieben!“
    Fraden fühlte, wie sich eine schwere Last von seinen Schultern hob. Und doch, da war noch etwas anderes, etwas Unerklärliches …
    „Einfach so?“ sagte er. „Du hast gewußt, daß ich log, du hast gewußt, was ich tat, und … und weiter gar nichts? All das Gerede über Willem – und dabei hast du gewußt, daß ich selbst ein Mörder bin. Du hast gesehen, wie dieser stinkende Schlammkloß mich in sich aufsaugte, und du hast mit mir geschlafen und hast

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