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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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hinüber. Wie schon viele tausend Mal zuvor liebte er sie, doch diesmal dachte er dabei immer wieder: „Ich liebe dich.“ Das dachte er sogar, während er ihre Kleider abstreifte. Er ging ganz in diesem Akt auf, den er immer als einen Moment reinsten, selbstsüchtigen Vergnügens aufgefaßt hatte. Doch so war es jetzt nicht mehr, und so würde es nie wieder sein.
    Er stellte fest, daß er sich bemühte, sie sanft auf die Erfüllung vorzubereiten. Fast gegen seinen Willen verlor er sich in der Welt ihres Körpers. Jeden Vergnügungsschauder, den er unter sich spürte, genoß auch er, kleine Laute des Entzückens hoben ihn empor. Sein Körper und sein Ich wurden unbedeutend und verloren sich in einem anderen Universum. Als der Augenblick der Erfüllung kam, erreichten sie ihn gemeinsam. Er spürte, wie er mit ihr verschmolz, und aus ihrem Rausch empfing er unsägliche Lust. Er trank von ihrer wachsenden Leidenschaft und gab ihr von seiner. Und die wilde, fast furchterregende Explosion unkomplizierter, animalischer Freude war ein Ding, das getrennt von ihnen zu existieren schien. Es war nicht seines und nicht ihres, sondern das blendende Aufflammen sterblichen Vergnügens, das so lebendig war wie der schrecklichste Schmerz. Es vereinte sie zu einem Wesen, es gehörte ihnen, ihnen gemeinsam.
    Und in dieser Nacht schlief Bart Fraden zum erstenmal in seinem Leben in den Armen seiner Geliebten.

 
14
     
    Still! Verdammt, es war zu still!
    Bart Fraden sah über die Heckklappe des Lastwagens zurück auf die lange Schlange der Fahrzeuge. Soeben hatte der letzte Wagen in der Reihe aus fast einhundert Fahrzeugen den Rand der Hochebene erreicht, auf der Sade lag. Zweitausend Männer saßen auf den Lastwagen. Sie stammten aus annähernd hundert unterschiedlichen Dörfern und waren mit Messern bewaffnet, die sie unter ihrem Schurz verbargen. Dies waren die Messer, die Moro einzuschmuggeln erlaubte. Es war eine sonderbare Fracht, die die Volksarmee in ihren Lastwagen nach Sade transportierte, doch während der ganzen Fahrt hatte kein Mensch am Straßenrand gestanden.
    Seit etwa drei Meilen fuhren sie an Hunderten von Fahrzeugen vorbei, die am Straßenrand warteten. Dies waren die Lastwagen, die fast zwanzigtausend Guerillas in die Stadt bringen würden. Sie würden sich in Bewegung setzen, sobald der Konvoi mit den Gefangenen in der Stadt verschwunden war. Die Hügel am Westrand der Ebene waren mit Guerillabiwaks übersät, doch bisher hatte sich kein neugieriger Sangraner gezeigt, der entweder den Zug der Opfer oder die Volksarmee beobachten wollte. Dabei waren doch die meisten Töter an das Stadion gebunden. Die Sache gefiel Fraden nicht. Etwas schmeckte hier sonderbar. Hatte sich das Gerücht, das er vor drei Tagen in Sade ausgestreut hatte, bis in das Land ausgebreitet? Wußten alle Tiere, daß es diesmal mehr werden würde als ein gewöhnlicher Schmerzenstag? Und wenn sie es wußten, wie würden sie sich verhalten?
    Fraden drehte den Kopf, um Sophia anzusehen. Sie saß direkt neben ihm auf dem Brett, das von der Seitenwand des Lastwagens heruntergeklappt war. Er streckte den Arm aus und faßte nach ihrer Hand – eine ungewöhnliche Geste –, und sie lächelte matt und nahm seine Hand in die ihre.
    Willem Vanderling saß, die Schnittpistole in den Armen, ihnen auf der Bank gegenüber. Er schien dieses Zwischenspiel bemerkt zu haben, denn seine Mundwinkel zuckten zu der Andeutung eines spöttischen Lächelns nach oben.
    Armer Willem, dachte Fraden. Er denkt, daß er es fast geschafft hat – dabei wird sogar seine verdammte Schnittpistole ihn am Ende im Stich lassen. Fraden sah nach vorn. Vor der Kabine des Lastwagens erkannte er die fünf Fahrzeuge, auf denen die mit Gewehren bewaffneten Herogynsüchtigen saßen. Das war auch ein netter kleiner Einfall Willems gewesen: die Freaks mit Gewehren statt mit Schnittpistolen auszurüsten. Schnittpistolen würden zu bedrohlich wirken, hatte Willem gesagt. Alles war einfach zu durchsichtig; wenn die Freaks statt der Schnittpistolen Gewehre trugen, dann war Willems einzige Schnittpistole ein Zeichen seiner Autorität. Es würde ihm so viel leichter fallen, die Freaks auf Fraden zu hetzen, wenn die Zeit gekommen war. Ohne Zweifel verließ er sich auf diesen Schachzug.
    Aber er konnte nicht wissen, daß er sich gegen ihn auswirken würde, denn in seiner Schnittpistole steckte eine leere Energieladung. Während er die Freaks einer letzten Inspektion unterzog, hatte Fraden sie

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