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Die Bruderschaft des Schmerzes

Die Bruderschaft des Schmerzes

Titel: Die Bruderschaft des Schmerzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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ein, dann die Tiere, und schließlich erzitterte das ganze Stadion unter dem Ruf von mehr als zwanzigtausend Stimmen: „ SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG !“
    Die Brüder stießen Bratenstücke, Weinkrüge und Frauen zur Seite, ihre Köpfe pendelten rhythmisch, und die Hände klatschten den Takt. Die Töter nahmen den Rhythmus auf und stampften mit Stiefeln und Gewehrkolben auf den Betonboden. Auch die Tiere klatschten, nackte Füße stampften auf den Boden, ein Geräusch wie ferner Donner, wie Geschützlärm, erklang: „ BUMM -ta-ta- BUMM - BUMM ! BUMM -ta-ta- BUMM - BUMM ! BUMM -ta-ta- BUMM - BUMM ! BUMM -ta-ta- BUMM !“
    Wie ein Kontrapunkt dazu steigerte sich währenddessen der Sprechchor in brüllende Raserei: „ SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG !“
    „ SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG ! BUMM -ta-ta- BUMM - BUMM ! SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG ! BUMM -ta-ta- BUMM - BUMM !
    BUMM -ta-ta- BUMM - BUMM !“
    Der Klang bohrte sich in Fradens Ohren. Durch den Beton des zitternden Stadions, durch die Sohlen seiner Stiefel, durch seine Beinknochen pflanzten sich die Vibrationen in seine Eingeweide fort. Seine Zähne klapperten, und die Haare auf seinem Handrücken richteten sich auf. Wie eine Zange hielt Sophias Hand die seine umklammert, ihr Gesicht war aschfahl, und ihre Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepreßt.
    „ SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG !“
    Der Pavillon auf der anderen Seite der Arena war von einem Gewirr wogender Leiber erfüllt. Die Brüder rissen Fleischfetzen aus den gebratenen Gliedmaßen, schrien unablässig, spuckten, während sie brüllten, fettige Reste aus, bissen wieder in die Fleischstücke, schrien, spuckten und mißhandelten gleichzeitig die nackten Frauen mit grausamer und brutaler Selbstvergessenheit. Es war wie ein Aufruhr in einer riesigen, scheußlichen Schlangengrube.
    Jetzt mußten sogar die Tiere die verkleideten Töter leicht erkennen können, denn sie zerbissen sich wie rasend die eigenen Lippen, blutgetränkter Schaum bedeckte ihre unteren Gesichtshälften.
    Auch die Tiere gingen ganz in dieser Raserei auf. Wie wahnsinnig schreiend verkrallten sie sich ineinander. Die Klauen alter Weiber zerschrammten die narbige Haut der Krüppel, welke alte Männer schlugen auf die gebeugten Rücken der Greisinnen ein …
    Sogar die Herogynfreaks, die sie eigentlich bewachen sollten, heulten, vom Rausch besessen. Die tiefliegenden Augen waren die Augen von mordgierigen Wölfen.
    Fraden spürte, wie es zu ihm heraufstieg, wie es in ihn eindrang: die geballte, animalische Raserei von zwanzigtausend menschlichen Wesen, die sich völlig ihren dunkelsten Trieben hingegeben hatten. Es war ein sinnloser, endlos tiefer, uferloser See des Schreckens, eine verschlingende Welle, eine Sturmflut ungezügelten Blutrausches.
    Er stand am Rande eines Abgrunds. Der gähnende Schlund der Bestie tat sich vor ihm auf, um ihn in sich aufzunehmen. Ein Untier, das in jedem Menschen schlummert, ein gewaltiges Raubtier, mordlüstern und ursprünglich. Er spürte, wie die Bestie draußen nach der Bestie in seinem Innern rief, nach diesem Tier, das sich in seinen Adern regte und auf einer Welle von Adrenalin getragen wurde. Sein Geist stemmte sich gegen diesen urzeitlichen Ruf des Dschungels, stemmte sich gegen das rasende Raubtier in seinem Blut, das er so lange verborgen gehalten hatte …
    Verzweifelt griff er nach Sophia, preßte sich an sie. Er sog ihre Weichheit in sich auf, ihre Wärme, ihre Weiblichkeit. Sie verbarg ihr Gesicht an seiner Brust und schluchzte unkontrolliert.
    „ SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG ! SCHMERZENSTAG !“
    Aus einem Augenwinkel erblickte er Vanderling, der ihn fassungslos anstarrte. Willem Vanderling heulte! Sein Gesicht hatte sich in eine rote, verzerrte Teufelsfratze verwandelt. Eine dicke Vene pulsierte purpurfarben auf seinem kahlen Schädel.
    „O Gott, o Gott“, murmelte Fraden. Es war fast ein Gebet.
    Dann kippte die Welle plötzlich über. Ein letztes, schreckliches Gebrüll war zu hören, dann herrschte Schweigen. Ein lautes Schweigen, das noch weit erschreckender war als der ohrenbetäubende Lärm. Es war das unheilvolle, bedrückende Schweigen des Grabs.
    Unter ihnen hatte sich am Rande der Arena das große Tor geöffnet. Kleine Gruppen gefesselter Männer wurden hinaus in das blutrote Sonnenlicht von Sangre gestoßen. Immer neue Gruppen wurden von den Tötern durch das Tor

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