Die Bruderschaft
fragte Yarber.
»Von Curtis aus Dallas.«
»Ist das der Bankier?« fragte Beech aufgeregt.
»Nein. Curtis ist der mit den Schmuckgeschäften. Hört zu.« Spicer faltete den auf weichem, gelbem Papier geschriebenen Brief auseinander und las ihn vor: »›Lieber Ricky! Dein Brief vom 8. Januar hat mich zum Weinen gebracht. Ich habe ihn dreimal gelesen, bevor ich ihn aus der Hand legen konnte. Du armer Junge! Warum lassen sie dich nicht raus?‹«
»Wo ist Ricky?« fragte Yarber.
» Ricky sitzt in einer teuren Drogenklinik, die sein reicher Onkel bezahlt. Er ist jetzt seit einem Jahr da drin, clean und völlig geheilt, aber die bösen Leute von der Klinik wollen ihn erst im April rauslassen, weil sie 20000 Dollar pro Monat von seinem Onkel kriegen, der ihn hinter Schloss und Riegel haben will und ihm kein Taschengeld schickt. Weißt du das etwa nicht mehr?«
»Jetzt fällt’s mir wieder ein.«
»Wir haben doch gemeinsam an der Geschichte gefeilt. Darf ich jetzt weiterlesen?«
»Bitte.«
Spicer fuhr fort: »›Am liebsten würde ich auf der Stelle kommen und diese verbrecherischen Leute zur Rede stellen. Und deinen Onkel ebenfalls. Was für ein Versager! Reiche Leute wie er denken immer, wenn sie Geld schicken, brauchen sie sich nicht selbst zu kümmern. Ich habe dir ja schon geschrieben, dass mein Vater sehr reich war, aber zugleich war er auch der unglücklichste Mensch, den ich je gekannt habe. Er hat mir zwar alles Mögliche gekauft, aber das waren bloß Dinge, die irgendwann kaputtgingen und mir nichts bedeutet haben. Er hatte nie Zeit für mich. Er war ein kranker Mann, genau wie dein Onkel. Für den Fall, dass du irgendetwas aus dem Klinikladen brauchst, habe ich einen Scheck über 1000 Dollar beigelegt.
Ach, Ricky, ich kann es kaum erwarten, dich zu sehen. Ich habe meiner Frau gesagt, dass in Orlando im April eine internationale Diamantenschau stattfindet, und sie hat keine Lust, mich zu begleiten.‹«
»Im April?« fragte Beech.
»Ja, Ricky ist sicher, dass er im April entlassen wird.«
»Geht einem das nicht zu Herzen?« sagte Yarber lächelnd. »Und Curtis hat Frau und Kinder?«
»Curtis ist dreiundfünfzig und hat drei erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder.«
»Wo ist der Scheck?« fragte Beech.
Spicer drehte den Briefbogen um und las weiter: »›Wir müssen uns unbedingt in Orlando treffen. Bist du sicher, dass sie dich im April rauslassen? Bitte sag, dass es so ist! Es vergeht keine Stunde, in der ich nicht an dich denke. Ich habe dein Foto in meinem Schreibtisch, und wenn ich in deine Augen sehe, weiß ich, dass wir füreinander bestimmt sind.‹«
»Krank«, sagte Beech, ebenfalls lächelnd. »Und so was kommt aus Texas.«
»In Texas gibt’s bestimmt noch mehr von der Sorte«, sagte Yarber. »Und in Kalifornien nicht?«
»Der Rest ist bloß Gelalle«, sagte Spicer, der den Brief rasch überflog. Sie würden ihn später eingehend studieren. Er hielt den Scheck über 1000 Dollar hoch, damit seine Kollegen ihn sehen konnten. Zu gegebener Zeit würde er von ihrem Anwalt hinausgeschmuggelt und auf ihr geheimes Konto eingezahlt werden.
»Wann lassen wir die Bombe platzen?« fragte Yarber.
»Lasst uns erst noch ein paar Briefe wechseln. Ricky muss sich ein bisschen ausweinen.«
»Vielleicht könnte einer der Wachmänner ihn verprügeln oder so«, schlug Beech vor.
»Es gibt dort keine Wachmänner«, antwortete Spicer. »Immerhin ist es eine teure Drogenklinik. Die haben keine Wachen, sondern Berater.«
»Aber es ist eine geschlossene Anstalt, oder nicht? Das heißt, es gibt Zäune und Tore und das wiederum heißt, dass sie ein paar Wachen haben. Und wenn Ricky nun beim Duschen oder im Umkleideraum von einem Finsterling überfallen wird, der es auf seinen schönen Körper abgesehen hat?«
»Nein, keine sexuellen Übergriffe«, sagte Yarber. »Das könnte Curtis abschrecken. Er könnte auf die Idee kommen, dass Ricky sich was Ansteckendes eingefangen hat.«
Und so bastelten sie noch ein paar Minuten an Rickys trauriger Geschichte. Sein Foto stammte von der Pinnwand eines anderen Gefängnisinsassen und war von ihrem Anwalt kopiert und inzwischen an mehr als ein Dutzend Brieffreunde in ganz Amerika verschickt worden. Es war das Foto eines lächelnden Universitätsstudenten mit dunkelblauer Robe und Doktorandenhut, der ein zusammengerolltes Diplom in der Hand hielt. Er war ein sehr gut aussehender junger Mann.
Man beschloss, Beech solle die Geschichte in den kommenden Tagen
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