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Die Bruderschaft

Die Bruderschaft

Titel: Die Bruderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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erwartete man ja, dass sie alle Welt anklagten, doch Richter waren dazu da, die weniger belasteten Angeklagten auszusortieren. Das Verfahren gegen Buster und seinen Vater hätte von dem gegen die Kolumbianer und ihre Komplizen abgetrennt und eingestellt werden müssen.
    Jetzt war der eine tot, und das Leben des anderen war ruiniert. Und niemand im ganzen Strafverfolgungssystem kümmerte sich darum. Es war ja bloß ein Drogendelikt.
    An der ersten Kurve des Ovals wurde Yarber langsamer und blieb dann stehen. Er blickte über eine lange Wiese zum Rand eines Waldes. Auch Buster sah in diese Richtung. Seit zehn Tagen war sein Blick immer wieder über die Umgebung des Gefängnisses geschweift, und er hatte gesehen, was es dort nicht gab: Zäune, Stacheldraht, Wachtürme.
    »Der Letzte, der abgehauen ist«, sagte Yarber und starrte ins Leere, »ist in dem Wald da verschwunden. Nach ungefähr fünf Kilometern kommt man an eine Landstraße.«
    »Und wer war das?«
    »Ein Typ namens Tommy Adkins. Er war mal Bankier in North Carolina gewesen und hatte sich beim Griff in die Kasse erwischen lassen.«
    »Was ist aus ihm geworden?«
    »Er wurde verrückt und ist eines Tages einfach losmarschiert. Es hat sechs Stunden gedauert, bis irgendjemand was gemerkt hat. Einen Monat später ist er in einem Motelzimmer in Cocoa Beach gefunden worden. Allerdings nicht von den Bullen, sondern vom Zimmermädchen. Er lag nackt und zusammengekrümmt auf dem Boden und nuckelte am Daumen. Völlig gaga. Sie haben ihn in eine Klapsmühle gesteckt.«
    »Sechs Stunden, hm?«
    »Ja. Das passiert ungefähr einmal pro Jahr. Irgendeiner geht einfach weg. Dann benachrichtigen sie die Bullen in deinem Heimatort und geben deinen Namen in den Fahndungscomputer ein - das Übliche eben.«
    »Und wie viele werden geschnappt?«
    »Fast alle.«
    »Fast?«
    »Ja, aber die werden geschnappt, weil sie blöde Sachen machen. Sie besaufen sich in Bars. Fahren Wagen mit kaputten Rücklichtern. Besuchen ihre Freundin.«
    »Wenn man schlau genug ist, kann man es also schaffen?«
    »Klar. Sorgfältige Planung, ein bisschen Kleingeld, und das Ganze ist kein Problem.«
    Sie gingen weiter, etwas langsamer jetzt. »Eine Frage, Mr. Yarber«, sagte Buster. »Wenn Sie achtundvierzig Jahre vor sich hätten, würden Sie dann abhauen?«
    »Ja.«
    »Ich habe aber keinen Cent.«
    »Ich schon.«
    »Würden Sie mir helfen?«
    »Mal sehen. Lass dir erst mal Zeit. Leb dich hier ein. Im Augenblick haben sie ein Auge auf dich, weil du neu bist, aber in ein paar Wochen ist das vorbei.«
    Buster lächelte. Seine Strafe war soeben drastisch reduziert worden.
    »Du weißt, was passiert, wenn sie dich erwischen?« fragte Yarber.
    »Ja, sie brummen mir noch ein paar Jahre auf. Was soll’s? Vielleicht kriege ich dann achtundfünfzig Jahre. Nein, wenn sie mich erwischen, bringe ich mich um.«
    »Das würde ich auch tun. Aber du musst dich darauf gefasst machen, das Land zu verlassen.«
    »Und wohin soll ich dann gehen?«
    »Irgendwohin, wo du wie ein Einheimischer aussiehst und man dich nicht an die USA ausliefert.«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Argentinien oder Chile. Sprichst du Spanisch?«
    »Nein.«
    »Dann fang an, es zu lernen. Du kannst hier Spanischunterricht nehmen. Frag mal ein paar von den Jungs aus Miami.«
    Sie gingen schweigend eine Runde. Buster überdachte seine Zukunft. Seine Füße waren leichter, er ging aufrechter, und auf seinem Gesicht lag ein Lächeln.
    »Warum helfen Sie mir?« fragte er Yarber.
    »Weil du dreiundzwanzig bist. Zu jung und zu unschuldig. Das System hat dich einfach überrollt, und du hast das Recht, dich auf jede nur mögliche Art zu wehren. Hast du eine Freundin?«
    »Irgendwie schon.«
    »Vergiss sie. Sie wird dich nur in Schwierigkeiten bringen. Außerdem: Glaubst du im Ernst, dass sie achtundvierzig Jahre warten wird?«
    »Das hat sie gesagt.«
    »Dann hat sie gelogen. Sie sieht sich schon nach einem anderen um. Wenn du nicht geschnappt werden willst, vergiss sie.«
    Wahrscheinlich hat er recht, dachte Buster. Er hatte noch keinen Brief von ihr bekommen, und obwohl sie nur vier Stunden entfernt lebte, hatte sie ihn noch nicht besucht. Sie hatten zweimal miteinander telefoniert, aber sie schien sich nur dafür zu interessieren, ob er von anderen Häftlingen angegriffen worden war.
    »Hast du Kinder?« fragte Yarber.
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Und was ist mit deiner Mutter?«
    »Sie ist gestorben, als ich noch ganz klein war. Mein Vater hat mich

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