Die Brücke
halten an. Der Aufzug verkündet die Ankunft nicht mit
einem zarten Glockenton, sondern mit einem die Luft
erschütternden Geläut, dessen Stärke und
Tonqualität einer großen Kirche gerecht würde. Der
alte Knabe sieht ängstlich nach oben. »Wir sind da,
Sir!« schreit er.
Er öffnet die Türen zu einer Szene des
äußersten Chaos und springt zurück. Ich sehe es mir
erstaunt ein paar Augenblicke an, gehe langsam zu den Türen vor.
Der alte Fahrstuhlführer lugt nervös um die Ecke.
Offensichtlich sind wir auf den Schauplatz einer schrecklichen
Katastrophe geraten. In einer großen, aber von Trümmern
erstickten Halle vor uns sehen wir Feuer, gestürzte Träger,
zerfetzte Rohre und Balken, zusammengebrochenes Mauerwerk und
hängende Kabel. Uniformierte rennen mit Wasserschläuchen,
Tragbahren und nicht zu identifizierenden
Ausrüstungsgegenständen umher. Über allem hängt
eine gewaltige Rauchwolke. Der Lärm von Alarmsirenen und Hupen,
Explosionen und tonverstärkten Befehlen ist furchterregend, auch
für Ohren, die noch etwas taub von der Glocke sind, die unsere
Ankunft angekündigt hat. Was ist hier geschehen?
»Na so was, Sir«, ruft der alte Fahrstuhlführer
hustend, »aus diesem Winkel sieht es nicht gerade nach einer
Bibliothek aus, oder?«
»Nein, tut es nicht«, pflichte ich ihm bei. Ein Dutzend
Männer rollt einen großen Pumpenapparat über den
trümmerbesäten Boden der Halle vor uns. »Sind Sie ganz
sicher, daß es das richtige Stockwerk ist?«
Er überprüft seinen Stockwerksanzeiger, schlägt mit
einer arthritischen Faust auf die Skalenscheibe. »So sicher, wie
ich nur sein kann, Sir.« Er gräbt eine Brille aus und
beäugt den Anzeiger noch einmal. Eine Explosion in dem Haufen
aus Rohren und Trägern schickt eine Woge aus schwarzem Rauch und
Funken nach oben; die Männer in ihrer Nähe springen in
Deckung. Ein Mann mit einem hohen Hut und einer leuchtend gelben
Uniform sieht uns und schwenkt ein Megaphon. Er steigt über ein
paar Gestalten auf Tragbahren weg und nähert sich uns.
»Ihr da!« ruft er. »Was, zum Teufel, wollt ihr
hier? Seid ihr Plünderer? Ghouls? He? Macht sofort, daß
ihr wegkommt!«
»Ich suche nach der Dritten Bibliothek für
Archivmaterial der City und historisches Material«, teile ich
ihm ruhig mit. Er zeigt mit dem Megaphon auf die chaotische Szene
hinter sich.
»Wir auch, du Idiot! Und jetzt verpißt euch!« Er
stößt das Megaphon in die Richtung meiner Brust und
stürmt davon, stolpert über eine der Gestalten auf den
Tragbahren und rennt dann hinüber, um den Männern, die die
Riesenpumpe manövrieren, Anweisungen zu geben. Der alte
Fahrstuhlführer und ich sehen uns an. Er schließt die
Türen.
»Ein Grobian, was, Sir?«
»Er kam mir in der Tat ein wenig aus der Fassung geraten
vor.«
»Zugdeck, Sir?«
»Hmm? Ach ja. Bitte.« Wir sinken hinunter. Ich halte
mich wieder an der klappernden Messingstange fest. »Was mag wohl
aus der Bibliothek geworden sein?«
Der alte Mann zuckt die Achseln. »Das weiß der Himmel,
Sir. In diesen höheren Gefilden passieren alle möglichen
komischen Sachen. Manches, was ich schon gesehen habe…« Er
schüttelt den Kopf, pfeift durch die Zähne. »Sie
würden sich wundern, Sir.«
»Ja«, räume ich kläglich ein, »das
würde ich wohl.«
Am Nachmittag im Rackets-Club gewinne ich das eine Spiel und
verliere das andere. Die Flugzeuge und ihre seltsamen Signale sind
das einzige Gesprächsthema. Die meisten Anwesenden im Club
– alles Fachleute und Bürokraten – sehen in dem
merkwürdigen Vorbeiflug eine noch nie dagewesene
Ungeheuerlichkeit, gegen die ETWAS GETAN WERDEN MUSS. Ich frage einen
Zeitungsjournalisten, ob er etwas über ein schreckliches Feuer
auf der Ebene gehört habe, wo die Dritte City-Bibliothek
hätte sein sollen, aber er hat nicht einmal von der Bibliothek
gehört und erst recht nicht von einer Katastrophe in der oberen
Struktur. Er will nachfragen.
Vom Club aus rufe ich Reparatur und Wartung an und berichte von
meinem Fernseher und meinem Telefon. Ich esse im Club und gehe abends
in ein Theater. Es gibt ein geistloses Stück über die
Tochter eines Stellwärters, die sich in einen Touristen
verliebt, der sich als der Sohn des Eisenbahn-Chefs entpuppt, verlobt
ist und nur ein letztes Mal über die Stränge schlagen
wollte. Ich gehe nach dem zweiten Akt.
Zu Hause fällt mir, als ich mich ausziehe, ein kleines
zerknülltes Stück Papier aus einer Manteltasche. Es ist die
verschmierte Zeichnung,
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