Die Brücken Der Freiheit: Roman
ließen sie sich vielleicht zurückhalten, wenn man sie in eine Verteidigungsstellung manövrierte.
Er packte Charlie am Ärmel. »Wir versuchen, das Kohlelager zu besetzen und die anderen auszusperren«, raunte er ihm zu. »Sag es den Männern!«
Charlie rannte von einem zum anderen und gab den Befehl weiter. Um sich im Schlachtgetümmel verständlich zu machen, schrie er, so laut er konnte. »In den Hof! Schließt die Tore, und laßt die Kerle nicht rein!« In diesem Moment hörte Mack zu seinem Entsetzen einen Musketenschuß krachen. »Was, zum Teufel, ist denn da los?« fragte er, obwohl ihm niemand zuhörte. Seit wann trugen die Kutscher von Kohlekarren Feuerwaffen? Was waren das für Leute?
Dann sah er eine Hakenbüchse auf sich gerichtet, eine Muskete mit einem abgeschnittenen Lauf. Noch ehe er reagieren konnte, schnappte sich Charlie die Waffe, richtete sie auf den Mann, der sie gehalten hatte, und gab aus nächster Nähe einen Schuß auf ihn ab. Der Mann fiel um und war sofort tot.
Mack fluchte. Das konnte Charlie an den Galgen bringen.
Irgend jemand stürzte sich auf ihn. Mack trat rasch zur Seite und versetzte ihm einen Kinnhaken. Der Angreifer brach zusammen und fiel auf den Boden.
Mack wich ein paar Schritte zurück und versuchte nachzudenken. Daß diese Schlägerei direkt unterhalb meiner Wohnung stattfindet, kann kein Zufall sein, dachte er. Da steckt eine Absicht dahinter. Irgendwie müssen sie meine Adresse herausgefunden haben. Wer hat mich verraten?
Den ersten Schüssen folgte ein abgehacktes Stakkato weiterer Feuerstöße. Mündungsfeuer blitzte auf und erhellte die Nacht und der Geruch von Schießpulver vermischte sich mit dem Kohlestaub in der Luft. Mack schrie auf vor Empörung, als er mehrere Kohlelöscher tot oder verwundet zu Boden sinken sah. Ihre Frauen und Witwen werden mir zu Recht die Verantwortung zuschieben, dachte er. Ich habe einen Sturm ausgelöst, den ich nicht mehr beherrschen kann.
Die meisten Kohlelöscher waren jetzt auf dem Lagerplatz, wo genug Kohlen herumlagen, die sich als Wurfgeschosse nutzen ließen. Mit dem Mut der Verzweiflung versuchten sie, die Kutscher und ihre Komplizen am Betreten des Geländes zu hindern. Die Begrenzungsmauer bot ihnen Schutz vor dem unentwegt knatternden Musketenfeuer. Die Kämpfe Mann gegen Mann waren besonders hart am Eingang zum Kohlelager, doch Mack sah noch eine Chance zur Abkühlung der Gemüter, sofern es nur gelang, die hohen Holztore zu schließen. Er kämpfte sich durch das Getümmel zu einem der Tore durch und begann es zuzuschieben. Einige Kohlelöscher, die erkannten, was er vorhatte, kamen ihm zu Hilfe. Das schwere Tor drängte mehrere Kämpfende aus dem Weg. Mack glaubte schon, am Ziel zu sein, als sich ein Kohlekarren in den verbleibenden Zwischenraum schob und das Tor blockierte.
Keuchend rief Mack: »Weg mit dem Karren! Schiebt ihn fort!«
Sein Plan zeigte bereits Wirkung. Das schiefstehende, halb geschlossene Tor bildete eine erste Barriere zwischen den beiden Seiten. Außerdem war die anfängliche Erregung über die Prügelei verschwunden. Schrammen und andere Verletzungen sowie der Anblick toter und schwer verwundeter Kameraden trugen dazu bei, daß die Kampfeslust spürbar nachließ. Der Selbsterhaltungstrieb gewann allmählich wieder die Oberhand über das Draufgängertum, und man begann, sich nach einem ehrenvollen Ausweg umzusehen.
Auch Mack hielt ein baldiges Ende der Auseinandersetzungen für möglich. Wenn es gelang, die Konfrontation zu beenden, bevor jemand auf die Idee kam, die Soldaten zu rufen, ließ sich die Angelegenheit vielleicht noch als kleineres Scharmützel einstufen, und der vorwiegend friedliche Charakter des Streiks bliebe bewahrt.
Ungefähr ein Dutzend Kohlelöscher zog den Karren wieder aus dem Hof der Kohlehandlung heraus, während andere die Tore zuschoben. Irgendwer zerschnitt die Zugriemen, worauf das zu Tode erschrockene Pferd scheute. Es schlug nach allen Seiten aus, wieherte und rannte in Panik im Kreis herum.
»Schiebt, schiebt! Nicht lockerlassen!« rief Mack seinen Kollegen zu. Große Kohlebrocken prasselten auf sie herab. Zentimeter um Zentimeter rollte der Karren zurück, und mit haarsträubender Langsamkeit begann sich der noch offene Spalt zwischen den beiden Torflügeln zu schließen.
Doch da vernahm Mack ein Geräusch, das mit einem Schlag all seine Hoffnungen zunichte machte: die Schritte einer Soldatenkolonne im Anmarsch.
Die Wachsoldaten marschierten die Wapping High
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