Die Brücken Der Freiheit: Roman
Dann drückte sie die beiden Griffe der Gußform zusammen, worauf sich der vordere Teil öffnete. Eine gleichmäßig geformte Kugel fiel heraus. Lediglich ein kleines Schwänzchen, von dem in der Gußröhre verbliebenen Blei, haftete ihr noch an; Lizzie schnitt es mit dem Messer ab.
Lizzie goß so viele Kugeln, wie das geschmolzene Blei hergab. Als sie fertig war, lud sie die beiden Pistolen und legte sie griffbereit neben ihr Bett. Noch einmal überprüfte sie die abgeschlossene Tür.
Dann legte sie sich schlafen.
Kapitel 8
MACK NAHM LIZZIE DIE OHRFEIGE SEHR ÜBEL, ja, er haßte sie deswegen. Jedesmal, wenn er daran dachte, kochte die Wut in ihm hoch. Sie hat mir falsche Signale gegeben - und mich dann dafür bestraft, daß ich sie nicht durchschaut habe. Sie ist ein Luder, dachte er, eine herzlose Kokotte aus der Oberschicht, die mit meinen Gefühlen spielt.
Aber es stimmte nicht, und er wußte es. Er brauchte eine Weile, um es einzusehen. Nach längerem Nachdenken kam er zu dem Schluß, daß Lizzie von widerstreitenden Empfindungen hin und her gerissen wurde. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, war aber mit einem anderen verheiratet. Sie hatte ein stark ausgeprägtes Pflichtgefühl und spürte voller Angst, wie es zusehends untergraben wurde. In ihrer Verzweiflung hatte sie versucht, das Problem dadurch zu lösen, daß sie mit ihm, Mack, einen Streit vom Za un brach.
Schon lange hätte er ihr gerne gesagt, daß ihre Loyalität gegenüber Jay längst fehl am Platze war. Sämtliche Sklaven wußten seit Monaten, daß ihr Mann seine Nächte mit Felia verbrachte, einem ebenso schönen wie willigen Mädchen aus dem Senegal. Mack hatte sich jedoch zurückgehalten, weil er überzeugt war, daß Lizzie früher oder später von ganz alleine dahinterkommen würde, und vorgestern nacht war es dann auch geschehen. Ihre Reaktion war ebenso hart wie typisch für sie: Sie hatte sich mit Pistole n bewaffnet und in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen.
Wie lange wird sie das durchstehen? fragte er sich. Und wie wird das alles enden? Schnapp dir irgendeinen Tunichtgut, und brenn mit ihm durch, nach Westen, über die Berge…, hatte er zu ihr gesagt und dabei an sich selbst gedacht. Aber sie war auf diesen Vorschlag nicht eingegangen. Nein, ein Leben an seiner Seite überstieg gewiß ihre Vorstellungskraft. Sie mochte ihn, soviel stand fest; er bedeutete ihr mehr als ein einfacher Hausdiener. Er hatte ihr in ihrer schwersten Stunde beigestanden, und sie hatte es gemocht, daß er sie in die Arme nahm. Aber bis zu dem Entschluß, den Ehemann zu verlassen und mit dem Jugendfreund davonzulaufen, war es noch ein weiter Weg.
Die vielen Ungewißheiten raubten ihm den Schlaf. Unruhig warf er sich von einer Seite auf die andere, als er plötzlich draußen vor der Hütte das leise Wiehern eines Pferdes vernahm.
Wer konnte das sein zu dieser nachtschlafenden Stunde? Er runzelte die Stirn, glitt von seinem Lager und ging in Hemd und Hose zur Hüttentür.
Die Luft war kalt, und er schauderte. Es war neblig, und ein feiner Regen fiel vom Himmel, doch die Morgendämmerung hatte bereits eingesetzt, so daß er im silbrigen Licht erkennen konnte, wie zwei Frauen das Gelände betraten. Die eine von ihnen führte ein Pony am Zügel.
Sekunden später erkannte er die größere der beiden: Es war Cora. Was veranlaßt sie, mitten in der Nacht hierher zu kommen, fragte er sich und rechnete mit schlechten Nachrichten.
Dann erkannte er die zweite Frau.
»Peg!« rief er voller Freude.
Das Mädchen erkannte ihn und lief auf ihn zu. Peg war einige Zentimeter gewachsen, und auch ihre Figur hatte sich verändert. Das Gesicht aber war das gleiche geblieben.
Sie flog ihm in die Arme. »Mack, o Mack! Ich habe solche Angst!«
»Und ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen«, sagte er. »Was ist denn geschehen?«
Es war Cora, die seine Frage beantwortete: »Sie steckt tief im Schlamassel. Ein Farmer drüben am Fuß der Berge hat sie gekauft, Burgo Marier. Als er versuchte, sie zu vergewaltigen, hat sie sich mit einem Küchenmesser gewehrt…«
»Armes Mädchen!« sagte Mack und drückte Peg an sich. »Ist der Mann tot?«
Peg nickte.
»Die Virginia Gazette hat ausführlich über den Fall berichtet«, fuhr Cora fort. »Peg wird von allen Sheriffs in der Kolonie gesucht.«
Mack war entsetzt. Wenn Peg erwischt wurde, war ihr der Tod am Galgen sicher.
Durch die Stimmen waren inzwischen auch die anderen Feldarbeiter geweckt worden. Einige Sträflinge
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