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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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werden.
    Wie teuer?
    Etwa anderthalb Millionen.
    Lauritz rechnete rasch nach. Offenbar konnte er es sich leisten. Er nickte zustimmend.
    Trotzdem schien es so einfach dann doch nicht zu sein.
    Mit solch überragender Liquidität sei es selbstverständlich nicht schwer, den Wettkampf zu gewinnen, meinte Bankdirektor Sievertsen jetzt außerordentlich gut gelaunt. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und rief, man solle noch eine Flasche Champagner bringen.
    Es stelle sich nun allerdings die Frage, ob es sich dabei wirklich um eine gute Investition handelte. Es sei allgemein bekannt, dass Horneman & Haugen, das älteste und angesehenste Ingenieurbauunternehmen in Westnorwegen, in den letzten Jahren eine Krise durchgemacht habe,
aus der es nur die lukrativen Aufträge bei der Bergenbahn gerettet hätten.
    Die Frage sei also, ob ein so altmodisch geführtes Unternehmen eine derartige Investition wert sei. Es gebe andere, modernere Alternativen für die Zukunft, etwa die Pläne der Familie Horneman, in Hotels im Fjell und an den Fjorden zu investieren.
    Lauritz musste nachdenken. Betriebswirtschaft war eine beschwerliche Disziplin, weil es sich eben nicht um eine Wissenschaft handelte. Betriebswirtschaft war Vernunft, Brutalität, Glück, Astrologie und alles mögliche andere, was er nicht beherrschte. Außer möglicherweise Vernunft.
    »Hören Sie sich meine Überlegungen an, und sagen Sie mir, ob es sich um eine kluge Investition handelt«, sagte er und ließ sich Champagner nachschenken. »Das zwanzigste Jahrhundert wird das Jahrhundert der großen technischen Fortschritte sein. Menschen, die in hundert Jahren leben, werden auf unsere Zeit zurückblicken, wie wir heute die Steinzeit betrachten. Die Wirtschaft funktioniert dann vielleicht noch genauso wie heute, entweder ist Plus oder Minus in der Kasse. Mit der Technologie wird es aber ganz anders aussehen. In unserem Jahrhundert, und ich zögere nicht, das zu sagen, werden wir nicht nur Eisenbahnen erleben, die Kontinente überqueren, sondern auch zwischen den Kontinenten verkehren, wir werden Flugverkehr mit Passagieren erleben, zwischen den Ländern, aber auch zwischen den Kontinenten. In einigen Jahren wird es in Bergen Tausende von Automobilen geben, was einen gewaltigen Bedarf an neuen Straßen und Brücken schafft. Dem technischen Fortschritt, wie wir ihn im zwanzigsten Jahrhundert erleben werden, sind keine Grenzen gesetzt, und
wir, meine Herren, befinden uns erst am Anfang. Ich besitze die beste technische Ausbildung, die die Welt zu bieten hat, mein Bruder Oscar ebenfalls. Er wird bald aus Afrika zurückkehren. Wir werden diese Firma gemeinsam führen. Im neuen, freien Norwegen wird viel und überall gebaut werden. Das sind meine Argumente für den Kauf der Aktienmehrheit. Muss ich noch mehr sagen?«
    Das brauchte er nicht.
    Bankdirektor Sievertsen bat darum, ihn zum Diner einladen zu dürfen.

    Sein erster Gedanke, als er am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war, dass es Wirklichkeit war, er hatte nicht geträumt. Nach dem etwas zu üppigen Abendessen auf Kosten der Bank fühlte er sich noch etwas mitgenommen. So gesehen war die Wirklichkeit sehr spürbar. Er lag in einem zu schmalen Bett im Dachgeschoss des Missionshotels, das 3 Kronen und 25 Öre die Nacht kostete, einschließlich Frühstück. Sein Mund war trocken, und er hatte leichte Kopfschmerzen.
    Aber dass dies der erste Morgen seines neuen Lebens war, kam ihm unwirklich vor. Gestern, als ihm der Oberbuchhalter mit dem Bleistift mitgeteilt hatte, sein Guthaben belaufe sich auf 3 875 000 Kronen und 50 Öre, war er aus reinem Selbsterhaltungstrieb in eine Rolle geschlüpft. Er hatte die Bankleute nicht in Verlegenheit bringen wollen und daher den reichen Mann gespielt, aus Höflichkeit gewissermaßen.
    Jetzt, im einsamen Kämmerlein, musste er sich erst einmal an den Gedanken gewöhnen, er musste lernen, reich zu
sein und sich ab jetzt alles leisten zu können. Das war ein Umstand, über den er nie nachgedacht hatte. Seine Träume waren nie über ein »anständiges Leben«, das er sich für Ingeborg und sich in näherer Zukunft ausgemalt hatte, hinausgegangen.
    Er musste ihr schreiben und den Brief einwerfen, bevor er das Schiff nach Osterøya bestieg. Er grübelte, wie er den Brief formulieren sollte, damit sie nicht genauso reagierte wie er, als er Oscars wirres Telegramm erhalten hatte. Vielleicht teilte er ihr am klügsten einfach mit, dass sie den ebenso umständlichen wie peinlichen Plan,

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