Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
hundertfünfzigtausend Kronen an die Wohltätigkeitsloge Die gute Absicht überweisen.«
Der Oberbuchhalter schrieb mit kratzendem Bleistift mit. Aber der Bankdirektor fasste sich nachdenklich ans Kinn. Ihm schien der Vorschlag nicht zu gefallen.
»Wenn Sie tatsächlich den gesamten Aktienbesitz der Familie Horneman kaufen wollen, Herr Ingenieur Lauritzen«,
sagte er, »muss ich Sie darauf hinweisen, dass der Preis nicht feststeht, sondern Verhandlungssache ist. Mit sämtlichen Aktien der Familie Horneman in Ihrer Hand, zusätzlich zu dem Posten, den Sie bereits besitzen, ergeben sich dramatische Konsequenzen. Darauf kommen wir später noch zurück. Was die Stiftung von hundertfünfzigtausend Kronen an Die gute Absicht betrifft, das ist natürlich einzigartig großzügig. Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, übertrieben großzügig. Entschuldigen Sie, wenn ich gleich als Ihr finanzieller Berater agiere, ich will nicht vorgreifen. Aber Die gute Absicht leidet keine Not, das weiß ich, weil ich selbst dem Vorstand angehöre.«
Es hatte den Anschein, als hätte Lauritz damit die Antwort auf die Frage erhalten, warum die beiden Bankleute so bedeckt, fast verängstigt gewirkt hatten.
»Würden Sie mir die Freude machen, mein finanzieller Ratgeber zu werden, Direktor Sievertsen?«, fragte Lauritz und hob sein Glas. Die erleichterte Miene des Bankmannes reichte als Antwort. In der feierlichen Stille, die nur von ein paar kreischenden Möwen vor dem Fenster gestört wurde, tranken sie sich zu.
Vielleicht wussten sie ja, wie Lauritz bei seinem ersten Besuch in der Bank behandelt worden war. Wenn er in diesem Moment darum bitten würde, den unangenehmen Kollegen mit der Zigarettenspitze zu entlassen und mit einem Anker um den Hals im Fjord zu versenken, hätten sie sicher alle freudig zugestimmt.
Aber das würde er natürlich nicht tun. Rache war eine ebenso große Sünde wie Habgier.
»Und?«, fragte er mit einem ehrlich-offenen Lächeln. »Wie lautet der erste Ratschlag, den Sie mir in unserer
hoffentlich langen und fruchtbaren Zusammenarbeit erteilen wollen?«
Zum einen ging es um die übertriebene Gabe an Die gute Absicht . Das ließ sich am einfachsten klären. Lauritz erläuterte seinen Standpunkt. Die gute Absicht hatte seinen Brüdern und ihm die gesamte Ausbildung finanziert. Darüber hinaus hatten sie seiner Mutter eine zwar bescheidene, aber lebenslange Witwenrente ausgesetzt. Zu ihrem Examen in Dresden hätten sie außerdem noch eine Gratifikation erhalten. Aber nur einer der Brüder hatte das Examen zu dem vorgesehenen Zweck verwendet: zurückzukehren und die Bergenbahn zu bauen. Sein Bruder Oscar hatte ganz offensichtlich sein Glück in Afrika gemacht. Sein anderer Bruder war in London.
Die moralische Schuld der Guten Absicht gegenüber sei beträchtlich. Daher falle die Stiftung so groß aus.
Der junge Oberbuchhalter begann sofort zu rechnen und konnte wenig später mitteilen, dass hundertfünfzigtausend Kronen die Auslagen, die der Guten Absicht entstanden sein dürften, um etwa siebzig Prozent überstiegen.
Darauf antwortete Lauritz, dass es ihm nicht um ein Geschäft gehe, sondern darum, Großzügigkeit zu vergelten. Daher diese Großzügigkeit von seiner Seite, da er nun einmal wie durch eine göttliche Laune über so umfangreiche Mittel verfügte.
Diese nonchalante Formulierung gefiel ihm selbst nicht so ganz. Er empfand sein Verhältnis zu Gott als etwas höchst Privates. Natürlich war es Gott, der ihm diesen Wendepunkt im Leben beschert hatte. Und nun galt es, diese Gabe auf eine anständige Art und Weise zu verwalten. Gott griff nicht einfach aus einer Laune heraus ein.
Er hatte ganz einfach die Prüfung bestanden.
Die nächste Frage erwies sich als komplizierter. Es ging um den Kauf des gesamten Horneman’schen Aktienbesitzes an der Baufirma. Im Hinblick auf die lange Zusammenarbeit der Familien Horneman und Haugen wäre es unethisch, eine solche Transaktion heimlich durchzuführen. Aus diesem Grund müsse man die Aktien erst den Haugens zum Kauf anbieten, obwohl die Firma gegründet wurde, ehe es Regeln für ein Vorkaufsrecht gab.
Lauritz verstand das Problem nicht, unterließ es aber, sich nach Vorkaufsrecht und Ethik zu erkundigen, um die Unterhaltung nicht unnötig zu komplizieren. Er bat also nur kurz um einen Rat.
Dieser lautete, Familie Haugen die Aktien zum Kauf anzubieten, um sie dann zu überbieten. Daher könnte das Geschäft teurer als ursprünglich berechnet
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