Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
Aus Neugier und ohne militärische Veranlassung beschloss die Sabotagegruppe, das Feldlazarett in Augenschein zu nehmen. Es war, als stiege man in die Hölle hinab.
    Lange Reihen von Verletzten, Sterbenden und Toten waren von schwarzen Wolken aus Stechfliegen, Tsetsefliegen, Fleischfliegen und Schmeißfliegen bedeckt. Die Männer, die mit Fliegen im Mund und in den offenen Augen vollkommen reglos dalagen, waren offenbar tot. Andere versuchten noch, sich gegen die Angreifer zu verteidigen, die das Werk beendeten, das deutsche Kugeln begonnen hatten. Der Gestank von Fäkalien, Urin, Blut und offen schwärenden Wunden war unerträglich. Nur ein Teil der wenigen Überlebenden nahm die Besucher apathisch zur Kenntnis. Sie murmelten Unverständliches oder gaben mit den Händen zu erkennen, dass sie sich ergaben und sich liebend gern in Kriegsgefangenschaft begeben würden. Die Männer mit sichtbaren Verletzungen waren nur sparsam verbunden worden. Alle Verbände waren mit Blut getränkt. Einige Männer lagen mit ganz offenen Wunden da, in die die Fliegen bereits ihre Eier gelegt hatten, aus denen weiße Larven krochen.
    Die deutsche Patrouille durchquerte voller Entsetzen die Station und trat wieder ins Freie. Sie konnten nichts unternehmen, denn sie befanden sich noch anderthalb Tagesmärsche von Taveta entfernt. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als dem Elend den Rücken zuzukehren und weiterzumarschieren.
    Aber Msuru, einer der Träger, den Oscar in Sprengtechnik ausgebildet hatte, bat um ein Gespräch unter vier Augen mit Werner Schönfeldt, das ihm bewilligt wurde. Die beiden Männer standen in einigem Abstand voreinander und schienen sich zu streiten. Msuru gestikulierte theatralisch. Werner stand reglos da, nickte ab und zu, zuckte mit den Achseln und breitete dann resigniert die Arme aus. Dann gesellte er sich zu den anderen, die schweigend warteten. Worum es auch gehen mochte, es schien etwas Unbehagliches zu sein.
    Sie hätten ein Problem, konstatierte Werner. Msuru habe im Lazarett einen seiner Verwandten mit einer nicht allzu schweren Verletzung, einem Beinschuss, entdeckt. Er hatte sich erboten, ihn nach Taveta zu tragen, vorausgesetzt natürlich, dass die anderen sein Gepäck transportierten.
    So weit noch kein Problem. Werners Gruppe hatte schon früher Verwundete transportiert. Msuru war einer der Kameraden, also sollte ihm beigestanden werden.
    Es stellte sich nur die Frage, wie man am besten vorging, um diesen Avande aus dem Lazarett zu schaffen, ohne dass Chaos ausbrach und ihnen eine ganze Schar von Verletzten hinterherhumpelte.
    Sie setzten sich unter einen Baum und beratschlagten. Fritz Neumanns Vorschlag wurde nach einer Weile angenommen.
Msuru nahm zwei schwarze Kameraden mit und begab sich zu den Verletzten. Wenig später waren Schreie und Streitereien zu hören. Unter lautem Gezeter und »Verrat«-Rufen wurde der verwundete Verwandte aus dem Lazarett geschleppt. Nachdem sie sich etwas vom Lager entfernt hatten, brach das Gezeter jäh ab, als Werner in die Luft schoss und allen zu verstehen gab, dass sie schweigen sollten. Sie legten den Verletzten an einen geschützten Ort und reinigten und verbanden seine Schussverletzung sorgfältig.
    Währenddessen hörten sie die Geschichte, wie die beiden Cousins, die beide dem Volk der Umba angehörten, im Krieg auf verschiedene Seiten geraten waren. Der Umbafluss verlief im nördlichen Teil der Usambaraberge auf deutschem Territorium. Dann überquerte er eine Grenze, die die Europäer geschaffen hatten, und setzte seinen Weg ins Meer auf englischem Territorium fort. Die meisten Umba kämpften auf deutscher Seite, aber einige waren wie der verwundete Avande von den Engländern zwangsrekrutiert worden.
    Avande erzählte weiter, dass sich auch drei weiße Engländer unter den Verwundeten befunden hätten. Während des chaotischen englischen Rückzugs sei eine Sanitäterpatrouille erschienen und hätte die drei Weißen gerettet. Afrikaner, Belutschistaner und Inder seien zurückgeblieben, das Kanonenfutter, von dem es offenbar unendlich viel gab. Vermutlich war es nach unmenschlicher englischer Logik wirtschaftlich sinnvoller, neue, gesunde Soldaten heranzuschaffen, als sich um die Verwundeten zu kümmern.
    Sie verfertigten eine Trage aus dünnen Baumstämmen und Zelttuch, verteilten die übrigen Traglasten neu und
wechselten sich auf dem Heimweg damit ab, die schwierigste Last, den Verwandten Msurus, zu tragen.
    Sie waren ein bedrückter Trupp, obwohl sie

Weitere Kostenlose Bücher