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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Unausweichlich.
    »Nein, Sie haben auch dieses Mal keine Malaria«, sagte Dr. Ernst.
    Er war gerade aus einem Fiebertraum erwacht. Vielleicht hatte ihn Dr. Ernst geweckt, indem er seine Stirn mit einem nassen Tuch gekühlt hatte. Es dauerte eine Weile, bis
er einsah, dass er sich nicht im Delirium befand und auch nicht träumte, dass es wirklich Dr. Ernst war, der in weißem Kittel und mit dem einem Major entsprechenden Dienstrang neben ihm stand.
    »Das ist wirklich lange her. Ich freue mich, Sie zu sehen, Dr. Ernst«, sagte Oscar heiser. Sein Mund war trocken.
    Statt einer Antwort reichte Dr. Ernst ihm eine kalte Feldflasche mit Wasser, die er erst mit einem weißen Lappen abwischte.
    »Sie müssen viel Wasser trinken, mein Freund«, meinte er in einem für ihn untypischen freundlichen Tonfall. »Im Übrigen bin ich inzwischen mit Herr Oberstabsarzt anzureden.«
    »In diesem Fall bin ich Herr Oberingenieur«, stöhnte Oscar atemlos vom Wassertrinken, setzte die Feldflasche erneut an die Lippen und trank sie ganz leer.
    »Dann schlage ich vor, dass wir uns in Zukunft duzen«, verkündete Dr. Ernst, als handele es sich um eine sehr ernste Angelegenheit.
    »Gute Idee«, flüsterte Oscar keuchend. »Zumindest, solange wir Kameraden auf derselben Seite des Krieges sind. Bist du auch nicht mehr weggekommen?«
    »Nun, ich hatte ja mein Forschungsprojekt. Für meine fünfzig Kollegen, die bei Kriegsausbruch aus Dar nicht wegkamen, als sie ihre Heimreise antreten wollten, war es schlimmer. Für uns ist es aber gut. Wir haben dreiundzwanzig funktionierende Feldlazarette im Land, mehr als im übrigen Afrika zusammengenommen. Von unseren Patienten können sechsundfünfzig Prozent in den Dienst zurückkehren. Aber besuche mich heute Abend in meinem Zelt, dann können wir uns ausführlicher unterhalten.«
    »Heute Abend? Ich dachte, es dauert wochenlang, bis man so ein Fieber loswird?«
    »Vielleicht wirst du es ja dein ganzes Leben lang nicht mehr los. Es kommt und geht. Wir glauben, dass es sich um einen Parasiten handelt. Das Labor in den Usambarabergen hat einige interessante Forschungsergebnisse geliefert. Aber wie gesagt. Heute Abend um sieben!«
    Dr. Ernst nahm Haltung an und vollführte eine Art militärisch-zivilen Gruß. Dann setzte er seinen Weg zum nächsten Patienten fort, wobei er einer der schwarzen Krankenschwestern mit einem knappen Zeichen zu verstehen gab, dass sie Oscar mehr Wasser bringen solle.
    Oscar hatte das Gefühl von Ernüchterung nach einem Rausch. Vielleicht hatten Dr. Ernsts Worte diese Wirkung. Plötzlich fühlte er sich viel gesünder. Er lag eine Weile mit geschlossenen Augen da und ließ sich von der milden Meeresbrise streicheln. Die Bildersequenz, die hinter seinen Lidern vorbeizog, war so klar, als hätten sich seine Fieberfantasien gänzlich verflüchtigt. Hier lagen alle Patienten in sauberen Kleidern mit frischen Verbänden und besiegten Infektionen in ihren Betten. Davon konnten Belutschistaner, Inder, Afrikaner und alle anderen, mit denen die Engländer die wilden Tiere fütterten, nur träumen. Vielleicht war der Krieg doch noch zu gewinnen.
    Als er sich geduscht in seiner frisch gewaschenen Uniform Punkt sieben Uhr bei Dr. Ernst einfand, kam es ihm so vor, als wären die Krankheit und das Fieber gänzlich überwunden. Er fühlte sich nur etwas schwach.
    Dr. Ernst war abgemagert und hatte inzwischen eine Halbglatze. Bei näherem Nachdenken lag ihre letzte Begegnung über zehn Jahre zurück. Die Jahre oder vielleicht
auch der Krieg hatte ihm seine steife Förmlichkeit genommen. Jetzt konnte er sogar scherzen, ohne dass es allzu angestrengt wirkte. Er bot Oscar als Willkommensdrink einen Gin Tonic an, von dem es hieß, dass er Chinin enthalte, um, wie er sagte, auch einmal von einer guten englischen Idee zu profitieren.
    Diese Extravaganz war der Tatsache zu verdanken, dass es ihnen gelungen war, die gesamte Ladung eines Blockadebrechers, der Marie , zu bergen, der unter dem Befehl Leutnant Conrad Sørensens den Weg von Hamburg bis in die Sudibucht ganz in der Nähe zurückgelegt hatte.
    Vom Krieg in der übrigen Welt wusste auch Dr. Ernst nicht viel zu berichten. Die Lage war unklar. Irgendwo in Flandern schien sich alles festgefahren zu haben. Aber hier lief es besser. Die frisch eingetroffenen südafrikanischen Truppen waren ein weiteres Mal in Salaita im Norden geschlagen worden.
    Aber Spaß beiseite, räusperte sich Dr. Ernst, insgesamt sei die Lage nicht sonderlich rosig.

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