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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Oberbefehlshaber von Lettow-Vorbeck hatte alle Pioniere angefordert, und zu ihnen zähle ja auch Oscar, um das Labor in Amani in den Usambarabergen zu evakuieren. Die gesamte Anlage sollte in den Süden verlegt werden. Das deutete darauf hin, dass der Oberbefehlshaber mit einem Zusammenbruch der nördlichen Front rechnete. Das verhieß natürlich nichts Gutes.
    Vielleicht handelte es sich aber auch nur um eine reine Vorsichtsmaßnahme. Das Labor war unersetzlich. Hier wurden eine Menge Dinge hergestellt, die sonst nicht zu bekommen waren. Seife, Kerzen, Zucker, Verbände aus Rinde. Man habe dort sogar herausgefunden, dass das beliebte
Gericht Kifefe , eine salzige Rindfleischsuppe, aus unerfindlichem Grund ein wirksames Mittel gegen die Sandläuse darstelle, die unter den Zehennägeln der Männer ihre Eier legten. Am wichtigsten sei natürlich, dass dort beträchtliche Mengen der Medizin hergestellt würden, die inzwischen ungerechterweise »Lettow-Schnaps« genannt werde, die Erfindung Dr. Ernsts, ein Aufguss der Chinabaumrinde, der Chinin ersetze.
    Oscar stimmte Dr. Ernst zu, dass dies ungerecht sei, und versprach, bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass es eigentlich »Ernst-Schnaps« heißen müsse. Er versprach auch, sein Möglichstes zu tun, um das Labor in Amani sicher zu evakuieren, falls dies nun wirklich sein nächster Auftrag sei.
    Und so kam es dann auch.
    Er war nach seiner Fieberkrankheit immer noch etwas schwach, als er sich einer der vielen Trägerkarawanen anschloss, die von der Marie ins Innere der Schutzzone unterwegs waren. Es hieß, man habe hunderttausend Träger für diese Aufgabe requiriert. Damit waren die nötigen Voraussetzungen geschaffen, um den Krieg gegen die Horden der Engländer fortzusetzen.
    Aus unerfindlichen Gründen hatte sich unter der Ladung der Marie auch ein kleinerer Posten Munition befunden, der sich für Oscars Jagdgewehr eignete. Also schleppte er sich auf dem Weg nach Dar mit mehr als dreihundert Patronen ab. Sie wogen einiges, aber sein Rucksack war stabil, außerdem trugen die Afrikaner bedeutend schwerere Lasten.
    Als Oscar in Dar eintraf, erfuhr er, dass das Labor in Amani bereits evakuiert worden war und dass beim Rückzug ebenjene Eisenbahn gesprengt worden war, die er
zu Beginn des Krieges gebaut hatte. Und die Sprengung hatten keine x-beliebigen Leute durchgeführt, sondern Werner Schönfeldt und seine Sabotagetruppe, die anschließend nach Dar verlegt worden war. Es ergab sich ein herzliches Wiedersehen mit Werner, Fritz, Günther, Msuru und seinem Verwandten Avande, der vollkommen von seiner Schussverletzung im Bein genesen war. Sie begaben sich in den Kaiserhof, um sich mit Bier zu betrinken. Die Brauerei Schultze produzierte weiterhin und unaufhörlich.
    Nach allzu vielen Gläsern Bier wurde Oscar sentimental und verlieh seiner Bestürzung darüber Ausdruck, dass seine Kameraden ausgerechnet jene Bahnlinie gesprengt hatten, die er so unter Zeitdruck und solchen Anstrengungen gebaut habe. Die anderen klopften ihm tröstend auf die Schulter, bestellten noch mehr Bier und versicherten ihm, dass er es nicht persönlich nehmen solle und dass vermutlich noch Schlimmeres zu erwarten sei.
    Und in der Tat.
    Am 18. Mai 1916 durchbrachen die englischen Horden zusammen mit den Südafrikanern die Nordfront an der Küste und nahmen die Hafenstadt Tanga ein, in der sie zu Beginn des Krieges so beschämend schnell besiegt worden waren. Damit kontrollierten sie einen Brückenkopf auf deutschem Territorium, den die englische Flotte ständig verstärken konnte.
    Die beschäftigungslosen Kameraden der Sabotagetruppe saßen in Dar herum, warteten und bemühten sich, die Biervorräte der Stadt auszutrinken, bevor sie von den Engländern eingenommen wurde. Oder sie widmeten sich strategischen Spitzfindigkeiten.
    Die deutschen Eroberungen auf englischem Gebiet im
Nordwesten seien inzwischen vollkommen bedeutungslos, hieß es. Nun gab es zwei Möglichkeiten, entweder die Truppen zu einem entscheidenden Vorstoß nach Britisch-Ostafrika zusammenzuziehen und zu versuchen, Nairobi einzunehmen, oder sich nach Süden zurückzuziehen, um Daressalam zu verteidigen.
    Plötzlich waren sie alle Stammtischstrategen. Sie nahmen an einem Krieg teil, den sie nicht verstanden. Der Stab gab den Befehl, dieses oder jenes in die Luft zu sprengen, und sie führten es aus. Bislang waren sie damit erfolgreich gewesen und hatten immer gesiegt.
    Zwei Wochen verbrachten sie ohne einen vernünftigen

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