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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Auftrag in Dar. Trotzdem gelang es ihnen nicht, den Kaiserhof trockenzulegen.
    Im August, mit zunehmender Hitze, kam der Oberbefehlshaber von Lettow-Vorbeck höchstpersönlich in die Stadt und rief alle Offiziere im Deutschen Haus zusammen. Andächtig gruppierten sie sich um ihn. Oscar fiel zum ersten Mal auf, wie klein der Mann war. Vielleicht wirkte es aber auch nur so, weil er auffallend abgemagert war. Seine Uniform und seine Stiefel waren einfach und abgenutzt. Inzwischen prangte jedoch das Eiserne Kreuz erster Klasse auf seiner Brust.
    Sie waren dreißig Mann in dem verqualmten Saal, in dem eben noch so viel Lärm wie in einem deutschen Bierkeller geherrscht hatte. Als von Lettow-Vorbeck eintrat, wurde es schlagartig still. Alle erhoben sich und salutierten. Von Lettow-Vorbeck bat die Männer, Platz zu nehmen, und hielt eine kurze Rede.
    »Meine Herren Offiziere, ich habe bedeutungsvolle Neuigkeiten«, begann er und hielt kurz inne, was die Spannung
natürlich noch erhöhte. »Die Lage in Europa ist immer noch diffus. Hier in Afrika können wir nicht mehr mit einem Endsieg rechnen. Unsere Aufgabe ist es nicht mehr, zu siegen, sondern uns nicht besiegen zu lassen. Dafür gibt es gute Gründe. Wir halten im Augenblick über hunderttausend britische Soldaten in Afrika in Schach, die damit der Front in Europa nicht zur Verfügung stehen. Das ist unsere Aufgabe. Wir dürfen uns also nicht besiegen lassen!«
    Er machte eine demonstrative Pause und nahm den tosenden Applaus entgegen.
    »Was ich Ihnen zu bieten habe, ist ein noch härteres Leben«, fuhr er fort. »Wir werden uns von jetzt an nicht mehr mit größeren Schlachten aufhalten, sondern ganz zur sogenannten Guerillataktik übergehen. Das hat für uns Vorteile, da wir so Zeitpunkt und Ort eines Gefechtes selbst bestimmen können. Uns erwartet kein leichtes Leben, und doch werden wir siegen, indem wir uns nicht besiegen lassen!«
    Erneuter Beifall.
    »Ein Letztes«, fuhr er mit leiserer Stimme fort. »Unser letzter Blockadebrecher, die Marie , die der englischen Flotte so geschickt entkommen ist, hatte nicht nur Waffen und Nachschub geladen, sondern auch Eiserne Kreuze zweiter Klasse für alle Kameraden, die sich besonders verdient gemacht haben. Das gilt für alle hier im Saal. Ich befehle, eine Schlange zu bilden!«
    Nach kurzem Zögern wurde sein Befehl befolgt. Dann standen alle, einige etwas schwankend, aber alle mit großer Entschlossenheit, sich dem feierlichen Augenblick gemäß zu verhalten, in einer Reihe vor Paul von Lettow-Vorbeck.
    Er schien jeden einzelnen Namen zu kennen und hatte
für jeden ein paar persönliche Worte. Nachdem ihnen der Orden verliehen worden war, traten alle mit glasigem Blick beiseite und begaben sich steifen Schrittes an ihren Platz, ohne ihre Bierkrüge anzurühren.
    Als Oscar an der Reihe war und von Lettow-Vorbeck die Hand nach einem weiteren Eisernen Kreuz ausstreckte, die ihm sein Adjutant in einem schwarzen, mit rotem Samt ausgeschlagenen Kasten hinhielt, äußerte er sich scherzhaft darüber, dass Norwegen zwar unglücklicherweise noch nicht aufseiten Deutschlands in den Krieg eingetreten sei, dass Oscar jedoch ein Vorbild germanischer Solidarität sei, und obendrein noch ein begnadet guter Schütze. Dann steckte er ohne weitere Umschweife den Orden über Oscars linker Brust an, salutierte und wandte sich dem nächsten Mann zu, dem er ebenfalls etwas Persönliches zu sagen hatte.
    Nach der Verleihung der Orden war auch das Fest rasch zu Ende. Alle sollten sich am nächsten Morgen um sechs Uhr für weitere Befehle bei der Militärkommandantur einfinden.
    Werner Schönfeldts Sabotagetruppe, der Oscar jetzt wieder angehörte, erschien in geschlossenem Trupp. Die neue Aufgabe, die ihrer harrte, widerstrebte Oscar zutiefst. Nach erledigtem Rückzug mit allen Transporten aus Daressalam sollten sie einen letzten Zug mit Sprengstoff beladen und die gesamte Eisenbahnstrecke und alle Brücken bis nach Dodoma zerstören. Oscar war sofort klar, dass er viele Brücken sprengen musste, die er selbst gebaut hatte.

    Im März 1917 setzten die heftigsten Regenfälle ein, derer sich überhaupt jemand erinnern konnte, Oscar hatte so etwas in seinen sechzehn Jahren in Afrika zumindest noch nie erlebt. Anfang des Monats war noch alles wie immer gewesen, es regnete ab und zu, und die Erde hatte sich noch nicht in Morast verwandelt, der jegliches Vorankommen unmöglich machte, außer für die englischen Kraftwagen. Die englische Kavallerie

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