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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Viertelstunde, bis die ganze Truppe auf einer Wiese vor dem Lager angetreten war, etwa tausendsiebenhundert Mann. Anfänglich machten muntere Gerüchte die Runde. Aber von Lettow-Vorbecks Miene verhieß nichts Gutes. Die Stabsoffiziere, die sich hinter ihm aufreihten, blickten ebenso zurückhaltend-finster drein wie ihr Chef.
    Von Lettow-Vorbeck hielt eine sehr kurze Ansprache. Was er sagte, war kristallklar und unerbittlich.
    Seit einer Woche herrschte Waffenstillstand in dem großen europäischen Krieg. Das schloss auch alle kämpfenden Einheiten in den übrigen Teilen der Welt mit ein. Deutschland hatte den Krieg verloren und war inzwischen eine Republik. Kaiser Wilhelm II. war nach Holland geflohen, wo ihm politisches Asyl gewährt wurde. Elsass-Lothringen gehörte jetzt laut Kapitulationsbedingungen zu Frankreich. Das Rheinland war von fremden Truppen besetzt.
    Was die Schutztruppe betraf, gab es nur noch eine Frage. Welcher feindlichen Einheit solle man sich ergeben. Der Stab hatte beschlossen, dass, obwohl die südafrikanische Brigade am nächsten war, es unwürdig sei, sich im Hinblick auf die Zusammensetzung der deutschen Truppen den Südafrikanern auszuliefern. Bei den südafrikanischen Truppen gab es keine Askaris, da es Schwarzen in Südafrika nicht erlaubt war, Waffen zu tragen. Folglich würden sie bei ihrer
Gefangennahme auch nicht wie Kriegsgefangene, sondern wie Sklaven behandelt werden.
    Der Stab wollte daher untersuchen, welcher englische Verband am nächsten lag. Dorthin würde man sich dann unverzüglich begeben. Das war alles. »Rührt euch!«
    Der General machte kehrt und verschwand mit allen höheren Offizieren im Schlepptau Richtung Stabszelt.
    Auf dem Feld blieb der Rest der deutschen, nie besiegten afrikanischen Armee wie gelähmt zurück.

    Es dauerte zwei Tage, die Route zu planen. Sie würden in Formation unter einer weißen Fahne, der Standarte der Schutztruppe und der deutschen Fahne in Richtung Bismarckburg am Njassa marschieren. Kurz vor Bismarckburg würden sie einen Schwenk Richtung Süden machen, die nordrhodesische Grenze überqueren und sich einem englischen Verband in Abercorn ausliefern. Kuriere würden den Engländern ihre Ankunft ankündigen. Die Durchsicht der Ausrüstung vor dem Abmarsch war wichtig, Uniformen mussten wenn nötig repariert und gewaschen werden. Sie mussten nur Proviant und Medizin für die Dauer dieses Marsches mitschleppen und auch keine überschüssige Munition. Jeder Soldat sollte jedoch seine Waffe tragen, wie es sich gehörte.
    So endete der Krieg für die deutsche Ostafrika-Armee. Alle nähten und flickten ihre Uniformen, um »adrett« auszusehen, wenn sie sich in Gefangenschaft begaben. Die Stimmung der Männer war seltsam, einige scherzten, ein Ausdruck von Galgenhumor, über deutsche Ordentlichkeit und Spießigkeit, beispielsweise Oscars unmittelbarer Vorgesetzter Günther Ernbach. Er war der Einzige in ihrer
Einheit, der gute Laune versprühte, denn er hatte den südafrikanischen Nachrichtendepeschen entnommen, dass bereits im Vorjahr in Russland die sozialistische Revolution stattgefunden hatte. Er behauptete, diese Neuigkeit bedeute, dass sich die Welt jetzt so dramatisch verändern würde, dass der Ausgang des Weltkriegs bald bedeutungslos erscheinen würde. Er machte sich seine Kameraden beinahe zu Feinden, aber zum Schluss hatte niemand mehr die Kraft, mit ihm zu streiten. Die deutsche Niederlage war ein zu schwerer Schlag gewesen.
    Während der zweitägigen Vorbereitungen des Abmarsches wurden die meisten jüngeren Offiziere, zu denen auch Oscar gehörte, zu einem Gespräch unter vier Augen zu von Lettow-Vorbeck gerufen.
    Oscar hatte erwartet, einem gebrochenen Mann zu begegnen, aber so war es ganz und gar nicht. Als wäre eine Kapitulation nur eine von vielen militärischen Pflichten in einem Krieg und als habe man einfach nur das Reglement zu befolgen. Der General wirkte beinahe entspannt, als sie sich im Stabszelt begegneten. Er sah tadellos aus, als käme er gerade von einer Besprechung des Generalstabs in Berlin. Seine neuen schwarzen Stiefel (von einem portugiesischen Oberst) glänzten, seine Uniform wirkte frisch gebügelt, wie immer ihm das gelungen sein mochte, und um seinen Hals hing der Blaue Max, sonst trug er keine Orden.
    »Nehmen Sie doch Platz, Hauptmann Lauritzen!«, sagte er freundlich, nachdem sie salutiert hatten.
    Oscar gehorchte, konnte sich aber nicht vorstellen, was es zu besprechen geben könnte.
    »Sie erinnern

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