Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
sich doch noch an unsere erste Begegnung, Hauptmann Lauritzen?«, begann von Lettow-Vorbeck.
»Ich erinnere mich jedenfalls noch, als sei es gestern gewesen. Damals hatten wir es ja mit kleineren, immer wiederkehrenden Aufständen der Eingeborenen zu tun, und diese niederzuschlagen war unsere einzige militärische Aufgabe. Sie als Zivilist hatten eine sehr kluge Verteidigung gegen eine kriegerische Eingeborenentruppe organisiert. Erinnern Sie sich?«
    »Ja«, räumte Oscar ein. »Ich erinnere mich sehr deutlich daran. Die Welt war damals noch freundlich, und ich baute Eisenbahnen und Brücken, um sie noch freundlicher zu gestalten. Und Sie versuchten, mich zum Soldaten zu machen. Es war ein schöner Nachmittag im Restaurant des Deutschen Hauses. Wir saßen an einem Tisch am Fenster.«
    »Und Sie behaupteten, ein ausgesprochen ziviler Mensch zu sein, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Ja. So etwas habe ich wohl gesagt.«
    »Zu Anfang des Krieges haben Sie nur auf Pferde geschossen. Gab es dafür nicht irgendein humanistisches Motiv?«
    »Korrekt, Herr General. Anfänglich erschoss ich nur die Pferde der englischen Kavallerie, die uns verfolgte. Das war keine Heuchelei, das möchte ich betonen.«
    Der General erwiderte nichts, sah Oscar nur forschend an. Sein diskreter Schnurrbart war grau geworden, er war sehr drahtig, ohne deswegen dürr zu wirken. Und offenbar war er vollkommen gelassen und eher melancholisch als verbittert. Für Verbitterung hätte er jeden Grund gehabt.
    »Was dann in Ihnen vorgegangen ist, weiß ich nicht, Hauptmann Lauritzen«, fuhr von Lettow-Vorbeck zögernd nach einer langen Pause fort. »Aber irgendetwas muss geschehen
sein. Lassen Sie uns annehmen, dass es der Krieg war. Tatsache ist, dass Sie laut den mir vorliegenden Berichten hundertdreiundsechzig englische und südafrikanische Offiziere und Unteroffiziere bei vorgeschobenen Aufklärungseinsätzen des Sonderkommandos Werner getötet haben. Begreifen Sie, was das bedeutet?«
    »Nein, Herr General. Wir haben selbst über sechstausend Mann verloren, die Hälfte verwundet, die andere Hälfte getötet. Die Engländer hatten zehnmal so große Verluste, wenn ich richtig informiert bin. Sie haben außerdem hunderttausend Träger verschlissen. Was bedeuten da hundertdreiundsechzig englische Offiziere mehr oder weniger?«
    »Sie sind wirklich immer noch eine Art Zivilist!«, platzte der General heraus. »Vielleicht habe ich Sie gerade deswegen immer so geachtet, weil Sie trotzdem auch ein Pflichtmensch sind, und das weiß ich zu schätzen. Lassen Sie mich daher etwas über das Zivile sagen, weil ich vermute, dass Sie nicht vorhaben, in Norwegen oder Deutschland eine strahlende militärische Karriere in Angriff zu nehmen. Habe ich recht?«
    »Zweifellos, Herr General.«
    »Gut! Was ich sagen will, ist, dass Sie in ein ziviles Leben zurückkehren werden, in dem Sie neue Brücken bauen können. Ich habe viele Männer aus dem Krieg zurückkehren und ihr ziviles Leben fortsetzen sehen, und ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen Glück. Ich möchte jedoch, dass Sie eines wissen, bevor ich Sie formell für Ihren beherzten heroischen Einsatz für Deutschland auszeichne.«
    »Mit Verlaub, Herr General, ich glaube, ich weiß alles, was ich über das Leben des Menschen wissen muss. Ich
wünsche mir nur, dass Sie mit den neuen Brücken recht behalten.«
    Der General zögerte, als hätte er es sich plötzlich anders überlegt und als wollte er seinen begonnenen Gedankengang, welcher Art dieser auch immer gewesen sein mochte, nicht fortsetzen. Er gab seinem Adjutanten ein Zeichen, eine große schwarze Schatulle auf den wackligen Schreibtisch zu stellen.
    »Ich habe immer noch einen kleinen Vorrat Eiserner Kreuze erster Klasse, diese verleiht man nämlich nicht leichtfertig«, hob er mit feierlicherer Stimme wieder an. »Das sind übrigens die höchsten Orden, die ich als General verleihen darf. Sie hätten einen höheren Orden verdient. Der Grund ist einfach. Ich sage es erneut. Kein anderer, wirklich keiner, ich kann es mir zumindest nicht vorstellen, aus einem kämpfenden Verband der gesamten deutschen Armee, kann eigenhändig einhundertdreiundsechzig englische Offiziere und Unteroffiziere eliminiert haben. Ich bitte Sie daher, diesen Orden mit Stolz entgegenzunehmen!«
    Von Lettow-Vorbeck nahm behutsam den Orden in die Hand, der wie Oscars erster aussah und nur etwas größer war, ging steifen Schrittes um den Schreibtisch herum, salutierte und befestigte ihn

Weitere Kostenlose Bücher