Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
lagen, durch die in acht Meter Tiefe ein Bach lief, der noch gefroren war.
Lauritz fuhr auf dem Eis den Bach hinunter, blieb in etwa zwanzig Meter Entfernung stehen und betrachtete den Bauplatz. Die Arbeiter über ihm schienen keine Notiz von ihm zu nehmen und arbeiteten weder schneller noch langsamer. Eine steinerne Bogenbrücke ist genau das Richtige, dachte er, legte seinen Rucksack ab und suchte die Pläne heraus. Das meiste wirkte logisch und verwendbar, ihm fielen jedoch auf Anhieb einige Verbesserungsvorschläge ein. Er schulterte seinen Rucksack und mühte sich in einem Bogen aufwärts durch den Tiefschnee zu dem Platz, an dem gerade der Schnee für den Bauplatz des Brückenpfeilers weggeschaufelt wurde. Der Hang schien aus solidem Granit zu bestehen, was seinen Plänen sehr zustattenkam.
Einer der Männer mit Schlapphut und langem schwarzem Bart rammte seine Schaufel in den Schnee und trat
energisch auf Lauritz zu. Er nahm seinen Hut ab und hielt Lauritz eine Hand hin, die die Größe einer Bratpfanne hatte.
Lauritz nahm seine viel zu warme Wolfspelzmütze ab und ergriff die ausgestreckte Hand.
»Sind Sie der Vormann Johan Svenske?«, fragte er.
»Derselbige, und Sie sind der neue Ingenieur, angenehm«, erwiderte der Riese und drückte Lauritz’ Hand, sicher mit Absicht, viel zu hart.
Sie musterten sich einige Sekunden lang gegenseitig. Die anderen Männer kümmerten sich nicht um sie und schaufelten im selben Takt weiter wie vorher.
»Hier soll, soweit ich informiert bin, eine Bogenbrücke errichtet werden«, sagte der Vormann in einer eigenwilligen Mischung aus Schwedisch und Norwegisch. »Eigentlich hätte heute früh das Material für die Gerüste kommen sollen, aber die Lieferung scheint sich zu verspäten. Vermutlich trifft sie am Nachmittag ein.«
»Heißen Sie wirklich Svenske, oder werden Sie nur so genannt?«, fragte Lauritz.
»Ich heiße Johansson, Svenske ist mehr ein Ehrenname«, grinste der Vormann und schob sich eine große Prise Snustabak unter die Oberlippe. »Der Steinbruch liegt nur fünfhundert Meter von hier entfernt, falls Sie das interessiert.«
»Gut«, sagte Lauritz. »Ich würde Ihnen gerne die Pläne zeigen und über ein paar Änderungen sprechen. Können wir uns in die Baracke setzen?«
Der Vormann zuckte mit den Schultern und bedeutete Lauritz, dass er auf Skiern vorausfahren sollte.
Er hatte bereits die Pläne auf einem der vier Esstische
ausgebreitet, als Johan Svenske eintrat, Platz nahm, ohne Weiteres die Pläne in seine Richtung drehte und eine Weile studierte.
»Das Übliche, nichts Neues, nichts Außergewöhnliches«, stellte er fest und schob die Pläne mit fragender Miene beiseite, als sei alles von Anfang an und noch ehe er die Pläne gesehen hatte sonnenklar gewesen.
Lauritz zögerte kurz, überlegte, wie er seine Änderungsvorschläge vortragen sollte, ohne sich eine Blöße zu geben.
»Hier«, sagte er, drehte die Pläne so, dass beide sie sehen konnten, und deutete mit einem Bleistift, »gibt es einen schwachen Punkt. Der Fels, an dem wir den westlichen Pfeiler des Gewölbes ansetzen wollen, neigt sich nach außen. Das ist ungünstig. Wir benötigen einen sieben Meter breiten Absatz, den wir mit Steinen auffüllen, damit der Pfeiler horizontal wie vertikal abgestützt wird. Was halten Sie davon?«
Er wartete, ohne seine Nervosität zu zeigen, während der Vormann neugierig die Pläne studierte, sich den Bart kratzte und nachdachte.
»Das ist eine gute Idee«, sagte er schließlich. »So hätten wir auch an den anderen Plätzen vorgehen sollen, aber das wird natürlich teurer. Und erhöht den Akkord. Ich hatte schon einen Vorschlag, muss jetzt aber noch mal nachrechnen. Wir müssen sprengen und uns mindestens einen halben Meter in den Fels bohren. Mal sieben Meter, mal fünf Meter, das ergibt etliche Kubikmeter.«
»Ja«, erwiderte Lauritz, »aber es wird eine viel sicherere Brücke.«
»Stimmt, Sie scheinen sich auszukennen, Herr Ingenieur.
Aber erst müssen wir den Schnee wegschaufeln, dann erledigt die Sonne den Rest.«
»Die Sonne?«
»Ja. Wenn der schwarze Granit zum Vorschein kommt, wird er von der Sonne aufgeheizt. Innerhalb weniger Tage ist alles sauber und trocken, und wir können mit dem Sprengen anfangen. Aber nur wenn das Wetter so bleibt, und das weiß man nie.«
Sie schienen einander gefunden zu haben. Lauritz war eher froh als erleichtert, es reizte ihn, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der sich sein Wissen in der Praxis und
Weitere Kostenlose Bücher