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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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nicht im Vorlesungssaal angeeignet hatte.
    Er ließ sich ein paar Männer zuteilen, die die Messlatten halten konnten, da er jetzt genaue Messungen auf dem Bauplatz vornehmen wollte.
    Diese Männer hatten zweifellos schon früher assistiert, sie stellten seine Anweisungen nicht infrage und harrten geduldig aus, bis er ihnen ein Zeichen gab, dass sie mit den Latten wieder einige Meter zurücktreten sollten.
    Als Lauritz etwa die Hälfte der Messungen durchgeführt und notiert hatte, trafen die beiden verspäteten Schlitten mit dem Material für die Gerüste aus Ustaoset ein. Die Pferde, kleine und zähe Fjordpferde, strengten sich an, der Atem stand ihnen wie weißer Dampf vor den Nüstern. Die Hälfte der Arbeiter ließ ihre Schaufeln fallen und begann die Schlitten abzuladen. In diesem Moment fielen die ersten Schneeflocken.
    Lauritz schaute in den Himmel. Er war so sehr mit seinem Messinstrument beschäftigt gewesen, dass er den Wetterumschwung nicht bemerkt hatte. Der Himmel war dunkelgrau, der Wind frischte auf, und der Schnee fiel
dichter. Ohne dass der Vormann etwas sagte, schulterten die Arbeiter ihre Schaufeln und gingen auf die Baracke zu. Die beiden Männer mit den Messlatten sahen ihn ungeduldig und fragend an.
    Sie haben natürlich recht, dachte Lauritz, als er sah, wie sich das Okular mit nassen Schneeflocken füllte. Bei diesem Wetter konnte man weder Messungen durchführen noch Zahlen niederschreiben. Er bedeutete ihnen mit der Hand, dass sie sich ebenfalls in die Baracke begeben sollten. Auf den wenigen Metern dorthin ging der Wind in Sturm über.
    Die Männer machten es sich in der Baracke bequem. Die meisten legten sich auf ihre Pritschen, einige zogen ein Kartenspiel aus der Tasche und setzten sich an einen Tisch, einer saß vor dem Ofen und fettete seine Stiefel ein. Johan Svenske lud die beiden Kutscher und Lauritz an seinen Tisch ein und bot ihnen Kaffee an, da man nicht wisse, ob dieses Unwetter in zwanzig Minuten vorüber sei oder erst in zwanzig Tagen. Die Kutscher machten sich Sorgen wegen ihrer Pferde. Nasser Schnee und harter Wind seien das Schlimmste, besonders nach einem so schwierigen Transport wie dem von Ustaoset. Der Schneematsch lege sich wie eine dicke nasse Decke auf den Rücken der Tiere und kühle sie viel zu schnell aus. Schlimmstenfalls bekämen sie eine Lungenentzündung und stürben.
    Lauritz schielte zum Vormann hinüber, dem nicht anzusehen war, was er zu diesem Thema dachte. Der Sturm nahm an Stärke zu. Der Wind pfiff um die Ecken und Dachtraufen, und ab und zu zitterte die ganze Baracke.
    »Können wir die Pferde nicht reinholen?«, fragte Lauritz. Er fürchtete zwar, sich lächerlich zu machen, aber die
Pferde taten ihm leid. Und im Mittelteil der Baracke, direkt beim Eingang, war genügend Platz.
    Johan Svenske grinste breit. Eher freundlich als höhnisch, hoffte Lauritz.
    »Tja«, meinte der Vormann und kratzte sich den Bart. »Ich dachte, es schickt sich nicht mit Pferden unter einem Dach mit dem Herrn Ingenieur, aber wenn Sie es selbst vorschlagen …«
    Er nickte den beiden Kutschern fröhlich zu, die angespannt die Reaktion auf Lauritz’ Vorschlag abgewartet hatten und jetzt blitzschnell aufsprangen und sich in den Sturm hinausbegaben. Die Tür schlug im Wind, bis jemand murrend aufstand und sie wieder schloss.
    Wenig später standen zwei sehr nasse, sehr friedliche Fjordpferde mit hängenden Ohren im Flur, während ihre Besitzer mit Händen und Armen eine dicke Schicht schweren, nassen Schnees von ihren Rücken strichen. Die Köchin kam aus der Küche, machte große Augen und schimpfte lauthals, sie werde nicht dafür bezahlt, Pferdemist zu beseitigen. Ihr Ausbruch sorgte für allgemeine Heiterkeit. Man versicherte ihr, dass es in der Baracke den einen oder anderen gebe, der sich um den Pferdemist kümmern würde. Man müsse ihn einfach nur in den Ofen schaufeln.
    Der Kaffee war heiß und erstaunlich stark und gut. Lauritz war behaglich zumute. Hier waren alle gleich, Ingenieur, Kutscher, Vormann und Arbeiter. Und würde er über Nacht bleiben müssen, so war weiter nichts dabei. Hier gab es zwar kein Telefon wie im Ingenieurshaus, aber das Wetter war Erklärung genug, warum er nicht zum Abendessen in Nygård erschien.
    Er begann Johan Svenske über die besonderen Fähigkeiten
der verschiedenen Arbeitergruppen auszufragen und erkundigte sich, welche Arbeiten Svenske selbst am liebsten ausführte. Das war nicht nur höfliche Konversation, er wollte sich

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