Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
oder Büffeln.
    Das Hauptproblem waren also die scheinbar unbesiegbaren Löwen. Bislang waren ihnen fünfzehn Arbeiter aus dem Lager zum Opfer gefallen. Man harrte also sehnsüchtig der Verstärkung aus Daressalam.
    Er musste sich etwas einfallen lassen, wie er die beiden Bestien zur Strecke bringen konnte. Das war ebenso sehr eine Frage des Prinzips wie eine Frage der Menschlichkeit. Er war Bwana Oscar und der Vormann. Dieser Verantwortung musste er sich stellen.
    Am nächsten Tag errichteten die Arbeiter murrend und schwitzend die Latrine nach seiner Zeichnung im Sand. Äußerst widerwillig wurden auch die Exkremente weggeschafft. Währenddessen unterbreitete Oscar Kadimba seinen neuen Plan.
    Einer der beiden Waggons war in der Mitte durch ein stabiles Gitter abgetrennt, zum Transport von Löhnen, wissenschaftlichen Instrumenten, Waffen und Munition.
    Man könnte doch zwei Askaris hinter das Gitter setzen, die gegenüberliegende Schmalseite des Waggons öffnen und die Soldaten als Lockvögel verwenden?
    Kadimba war verdutzt, als er diese Idee hörte. Er sann lange darüber nach und versuchte dann, eine Antwort zu formulieren. Sein Swahili war jedoch so schlecht oder
zumindest so unverständlich, dass Oscar Hassan Heinrich rufen musste, damit dieser übersetzte.
    »Ich glaube«, sagte Kadimba, »dass Bwana Oscar eine gute Idee hat. Ich hätte selbst darauf kommen müssen. Ich entschuldige mich. Bei normalen Löwen würde so eine Falle nie funktionieren, aber diese Brüder sind keine normalen Löwen. Es könnte also gelingen. Wenn Simba kommt, um seine Beute zu holen, schließen unsere Askaris die große Falltür, die wir am Ende des Waggons anbringen. Simba wird rasend werden und uns alle wecken, bevor unsere Männer ihn erschießen. Wir werden Simba dabei behilflich sein, in die Falle zu tappen, und ich weiß auch schon, wie.«
    Sie schlachteten eine der letzten Ziegen, die im anderen Waggon gehalten wurden, schleiften Lungen, Herz und Gedärme der Ziege um das Lager und ließen die Duftspur an dem Waggon mit der Falle enden.
    Die Idee war zweifellos gut, aber es erwies sich als schwierig, zwei Freiwillige unter den normalerweise tapferen und mutigen Askari-Soldaten zu finden. Ihr erster Einwand war, die Jäger sollten die Lockvögel abgeben und nicht die Soldaten. Oscar gab sein Ehrenwort, dass er persönlich die Aufgabe nach zwei Nächten übernehmen und sich dann mit Kadimba abwechseln würde, aber er habe jetzt so viele Nächte gewacht, dass er ganz einfach schlafen müsse.
    Wie die bewaffneten Schwarzen sein Ehrenwort auffassten, war unergründlich. Soweit er wusste, war die allgemeine Einstellung in Afrika, dass auf das Wort eines Mzungu ohnehin kein Verlass war. Wie auch immer, ihm als Chef vor Ort fiel die oberste Befehlsgewalt zu, und wer sich widersetzte, konnte bestraft werden und anschließend seine
Arbeit verlieren. Bei der Begutachtung des Eisengitters im Eisenbahnwaggon, der als Falle dienen sollte, waren sich alle einig, dass kein normaler Löwe ein solches Gitter durchbrechen konnte. Aber gegen böse Geister konnte kein Gitter dieser Welt etwas ausrichten, nicht einmal wenn es aus Gold war.
    Oscar bemerkte trocken, dass die Goldvorräte im Lager äußerst begrenzt seien und Stahl fünfmal so widerstandsfähig sei. Ein Hinweis, der trotz seiner wissenschaftlichen Eindeutigkeit niemanden zu überzeugen schien.
    Mehr oder weniger unter Zwang wurden zwei »Freiwillige«, die Oscar selbst ausgesucht hatte, im Waggon eingeschlossen. Er hatte sich vorher davon überzeugt, dass die Gewehre der beiden Männer, die außer sich vor Entsetzen waren, funktionierten. Dann drückte Oscar ihnen das Seil in die Hand, an dem sie ziehen sollten, wünschte ihnen eine gute Nacht und ging in sein Zelt.
    Sobald er sein Moskitonetz geschlossen und seinen Kopf aufs Kissen gelegt hatte, schlief er ein.
    Er hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte, weil sein Schlaf der eines Bewusstlosen gewesen war. Erst begriff er nicht, warum er wach geworden war oder wo er sich befand. Dann hörte er Gewehrsalven und das Gebrüll eines Löwen.
    Als er im Nachthemd, eine Petroleumlampe über den Kopf erhoben, zur Falle im Eisenbahnwaggon kam, sah er die Falltür schief hängen. Und im Waggon war es beunruhigend still.
    Von bösen Ahnungen erfüllt, holte er tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Kein Löwe konnte zwei Daumen dicke Gitterstäbe durchbrechen.
    Er schob die kaputte Falltür beiseite und leuchtete in den Waggon.

Weitere Kostenlose Bücher