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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Umständen schon längst ohne Bewusstsein oder tot gewesen, dieser Löwe war jedoch mindestens eine Stunde auf der Flucht.
    »Kadimba, weißt du, wo er ist?«, fragte er.
    Kadimba sah ihn erstaunt an und deutete dann auf ein dichtes Gestrüpp in fünfzig Meter Entfernung.
    »Er liegt dort, wir sind am Ziel, Bwana Oscar. Ich dachte, dass wir deswegen hier pausieren«, antwortete Kadimba achselzuckend. »Vielleicht ist er tot, vielleicht auch nicht. Jedenfalls ist er dort.«
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Oscar.
    Kadimba lächelte und entsicherte seine Mannlicher. Er gab Oscar ein Zeichen, sein Mausergewehr ebenfalls zu entsichern.
    Sie legten die halbe Strecke zum Gestrüpp zurück und blieben stehen. Kadimba bedeutete Oscar, sehr niedrig in das Gestrüpp hineinzuschießen und dann rasch nachzuladen. Oscar folgte Kadimbas Anweisung, wobei ihn der Gedanke streifte, dass er noch nie einen Befehl von einem Eingeborenen bekommen hatte. Er schoss sehr tief und lud rasch nach.
    Der Löwe schnellte wie ein graugelber Blitz und mit lautem Gebrüll direkt auf sie zu. Sie schossen gleichzeitig, und das Tier brach einige Meter vor ihnen zusammen, versuchte sich aufzurichten, wurde dann aber von zwei weiteren Kugeln getroffen. Die Hinterbeine zuckten ein paarmal, dann blieb er reglos liegen.
    »Es war nicht leicht, ihn zu erlegen, aber jetzt ist er tot«, sagte Kadimba.
    Wie ein böser Geist, dachte Oscar und berührte sicherheitshalber mit dem Lauf seines Gewehrs das Auge des Löwen, dessen Lid sich nicht bewegte.
    Erst jetzt konnten sie das Monster genauer in Augenschein nehmen. Kadimba versicherte, dass das der größte Löwe sei, den er je gesehen habe.
    Sechs Männer waren nötig, um den Löwenkadaver zurück zum Lager zu tragen. Die Arbeiten wurden an diesem Tag eingestellt und die letzten bayerischen Biervorräte ausgetrunken. Die Männer tanzten im Kreis um den toten Löwen herum, während sie besangen, wie tapfer sie waren, als sie Simba getötet hatten.
    Oscar trank sich zum ersten Mal im Busch mit lauwarmem Bier einen Rausch an, war aber geistesgegenwärtig genug, dem Löwen das Fell abziehen zu lassen, bevor es Schaden nahm. Dieses Mal meldeten sich viele Freiwillige.
    Er wollte das Fell als Beweis aufheben, einerseits für die Direktion in Daressalam, aber hauptsächlich als Beweis für die Männer im Lager, dass es keine bösen Geister gab, die der weiße Mann nicht besiegen konnte.
    Er war sich jedoch, ehe er mit einer Mischung aus Glücksgefühl, Rausch und Ermattung einschlief, bewusst, dass der Kampf nicht vorüber war. Der zweite Bruder Simba war unverletzt.

V
LAURITZ
    Hardangervidda, Mai 1901

    Lauritz’ Gliedmaßen und Muskeln fühlten sich steif an und schmerzten, als er davon erwachte, dass Estrid in der Stube für das Frühstück deckte. Er quälte sich aus dem Bett und sah ein, dass die einzigen Lockerungsübungen, die er kannte, die für Radfahrer nach hartem Training waren. Besser als nichts, dachte er und begann mit den Übungen.
    Das Frühstück bestand aus Sauerrahmbrei, Fladenbrot, Ziegenkäse und Speck. Es war wichtig, vor einem harten Arbeitstag ordentlich zu frühstücken.
    Daniel brütete wieder vor sich hin, und Lauritz fiel auch nichts ein, womit er die Unterhaltung hätte ankurbeln können.
    Die technische Ausrüstung wurde im Büro aufbewahrt. Lauritz holte sich einen Theodoliten der Marke Zeiss, wie er zufrieden feststellte, Messlatten, ein Stativ, die Pläne und Millimeterpapier, um direkt auf der Baustelle an der Strecke nach Ustaoset Skizzen anfertigen zu können.
    Sie würden sich in verschiedene Richtungen begeben, Daniel hinauf zur Tunnelbaustelle bei Vikastølen und er selbst den Hang hinunter. Es war kurz nach sechs Uhr morgens,
die Nacht war kalt gewesen, und die vereiste Schneedecke trug.
    Er kam rasch voran, fast zu schnell, sodass er einige Male beinahe gestürzt wäre. Aber selbst nachdem er sein Tempo gedrosselt hatte, ging es rasch und mühelos voran, denn Messinstrumente, Messlatten und Schreibzeug wogen nicht einmal die Hälfte von dem, was er am Vortag in seinem Rucksack mit sich geschleppt hatte.
    An dem Platz, wo die erste Brücke errichtet werden sollte, lag die Arbeiterbaracke. Sämtliche Arbeiter waren mit Schneeschaufeln beschäftigt. Der Weg von der Baracke zur Baustelle war bereits freigeschaufelt, jetzt waren sie damit beschäftigt, die beiden Bauplätze für die Brückenpfeiler freizulegen, die fünfzehn Meter voneinander entfernt beidseitig einer Schlucht

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