Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
schnellstmöglich alles Wissenswerte aneignen, was in Dresden nicht gelehrt worden war. Die notwendigen theoretischen Kenntnisse besaß er bereits, davon war er überzeugt. Aber etwas ganz anderes – Dinge, die Daniel Ellefsen angedeutet und von denen ihn Johan Svenske anhand einfacher Maßnahmen rasch und beiläufig überzeugt hatte – waren die Kenntnisse, für die er am meisten Verwendung hatte.
Johan Svenske ließ sich nicht zweimal bitten. Er war stolz auf seinen Beruf und ein guter Erzähler. Tunnel und Brücken waren sein Ding, Brücken im Sommer und Tunnel im Winter. Bei Tunneln sei es besonders schwer, den Akkord einzuschätzen. Anfangs schaffte man vielleicht drei Meter pro Tag, aber dann stoße man plötzlich wie aus reiner Teufelei auf anderes Gestein, und es ging nur noch einen halben Meter pro Tag voran. Wusste man, mit welcher Granitart man es zu tun hatte, ließ sich leicht berechnen, wie schnell oder langsam er sich brechen ließ. Am besten sei der rote Granit, am schlimmsten der hellgraue, durch den könne man sich kaum hindurchsingen. Ja, er hatte richtig gehört, singen. Das war die beste Methode. Zwei Mann drehten den Steinbohrer, zwei Mann schlugen die Hämmer. Zwei Schläge, eine Umdrehung, zwei Schläge, eine Umdrehung, das ergab einen besonderen Rhythmus.
Er klatschte in die Hände und forderte ein paar Männer auf, den Höllengesang vorzutragen, den man anstimmte, wenn es am schwersten war. Einige Männer begannen zurückhaltend. Sie waren es nicht gewohnt, vor Ingenieuren oder anderen Außenstehenden aufzutreten. Bald stimmten
andere ein, und schließlich wurde die Baracke von einem, wie Lauritz fand, erstaunlich wohlklingenden, dreistimmigen Gesang erfüllt. Er konnte es richtig vor sich sehen, wie es um die niedersausenden Vorschlaghämmer staubte und wie verschwitzte Arme langsam und unerbittlich den Bohrer immer weiter in den widerspenstigen Granit trieben, bis man schließlich weit genug vorgedrungen war, um Dynamit in das Loch schieben zu können.
Am anstrengendsten waren die Tunnel, am gefährlichsten die Einschnitte im Hang, weil es hier zu Erdrutschen kommen konnte. In diesem Fall musste man sich gegen den Hang werfen, um nicht zerschmettert oder, was häufiger vorkam, grün und blau geschlagen zu werden. Die Lösung war, die Arbeiter oberhalb des Einschnitts mit Hämmern auf alles einschlagen zu lassen, was ins Rutschen geraten konnte, auf diese Weise wurden zumindest die erkennbaren Gefahren beseitigt. Aber der Berg war trügerisch, oberflächlich unsichtbare Risse konnten plötzlich aufklaffen, wenn ihnen durch den Einschnitt gewissermaßen die Grundlage entzogen würde. Dann konnte ein Donnerwetter losbrechen, wenn man es am wenigsten erwartete.
Brücken zu bauen war die angenehmste Arbeit, fand Johan Svenske. Weil es Sommerarbeit war und weil sie, im Unterschied zur Arbeit an Tunneln und Einschnitten, mit jedem Tag schneller voranginge. Aber es gebe noch einen anderen Grund, Brücken seien obendrein schön. Wie diese schöne Bogenbrücke, die sie nun in Angriff nehmen würden. Endlich hatte er die Bauzeichnung zu sehen bekommen, und sie sah genau so aus, wie er sie sich vorgestellt hatte, zumindest fast. Wo doch als Neuerung eine horizontale Stütze für die Konstruktion in den Fels gesprengt werden
sollte. Das war wirklich keine dumme Idee! Man konnte über Ingenieure sagen, was man wollte, aber manchmal hatten auch sie lichte Augenblicke.
Lauritz war Lob von seinen Dozenten und Fahrradtrainern gewohnt und hatte gelernt, dass man sich vor Hochmut in Acht nehmen musste. Aber bei Johan Svenskes Worten wurde ihm ganz warm ums Herz. Immerhin hatten sie drei Brücken vor sich, und er war ein Grünschnabel. Diplomingenieur mit einem Examen aus Dresden, aber dennoch ein Grünschnabel.
Das Unwetter hatte nachgelassen. Einige Männer stellten sich auf die Veranda, spähten in den Himmel und riefen, man könne wieder zu den Schaufeln greifen. Dreißig Zentimeter nasser, schwerer Schnee waren gefallen. Alles, was man an diesem Tag weggeschaufelt hatte, lag in doppelter Menge wieder da.
Die Kutscher führten die widerwilligen Pferde, die ganz offensichtlich die Stubenwärme nicht verlassen wollten, ins Freie. Sie hatten sich vorbildlich verhalten und keine Pferdeäpfel zurückgelassen.
Lauritz beschloss, nach Nygård zurückzukehren, um die Zeichnung für den Brückenpfeiler für den nächsten Tag fertigzustellen. Danach wollte er wiederkommen und das andere Brückenfundament
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