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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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der Straße waren sie von einem Pöbel ins jüdische Viertel Londons verfolgt worden, wo dann eine Reihe von Bränden gelegt worden war.
    Niemand hatte den geringsten Versuch unternommen, den Pöbel aufzuhalten, bis sich das Feuer auf den benachbarten Christendistrikt auszudehnen begann. Auch Richard hatte die Untat am folgenden Tag mit keinem Wort verurteilt, sondern vielmehr eine Reihe von Männern hängen lassen, die angeblich für das Niederbrennen christlicher Häuser verantwortlich waren. Statt die unschuldigen Juden zu verteidigen, hatte zudem der Erzbischof von Canterbury verlauten lassen, da sie keine Anhänger Christi seien, müssten sie darauf gefasst sein, dass man sie wie Anhänger des Teufels behandelte.
    Angesichts des Beispiels, das König und Erzbischof gesetzt hatten, wunderte es kaum jemanden, dass die Bürger der englischen Städte in den folgenden Monaten wahre Orgien des Judenhasses veranstalteten und sich mit ihrem Hunger nach dem Blut der »Christusmörder« weiter in ihre hysterische Entschlossenheit hineinsteigerten, die Heilige Stadt aus den Händen der gottlosen Sarazenen zu befreien.
    André hatte sich auf dem Weg nach York befunden, als sich dort in den Tagen vor Ostern der letzte größere Zwischenfall ereignete. Bei seiner Ankunft war alles schon vorüber, doch jedermann redete noch darüber.
    Er hatte erfahren, dass eine aufgebrachte Menge fast fünfhundert zu Tode verängstigte Juden – Männer, Frauen und Kinder – in den Turm von York getrieben und diesen umstellt hatte. Sie hatten den Juden zugerufen, herauszukommen und sich ihrer »Bestrafung« zu stellen. In der Gewissheit brutaler Folter und eines beispiellosen Gemetzels hatten die jüdischen Ältesten beschlossen, sich selbst die letzte Gnade zu erweisen. Alle fünfhundert hatten Selbstmord begangen.
    André wusste natürlich, dass es auch in seiner Heimat gelegentlich brutale Zwischenfälle gab, doch das Ausmaß, die Regelmäßigkeit und die Brutalität der Verfolgungen in England hatten ihm jede Sympathie für dieses Land ausgetrieben, und die stillschweigende Billigung des frisch gekrönten Königs hatten die Bereitwilligkeit erstickt, mit der sich André zunächst seinem Feldzug angeschlossen hatte.
    Nur seine wichtigere Pflicht gegenüber dem Orden von Sion hielt ihn davon ab, sich vollständig vom König zu lösen. Allerdings musste er nun feststellen, dass es alles andere als leicht war, sich den Anschein der Begeisterung zu geben.
    Eine Bewegung in seiner Nähe riss ihn aus seinen Gedanken, und er wandte sich dem Wachtposten am anderen Ende der Plattform zu, an dessen Seite nun ein anderer Mann getreten war. Ihre Stimmen drangen als Gemurmel zu ihm. Nun kam der Neuankömmling auf ihn zu, ein schwarzer Umriss vor dem gleißenden Wachfeuer. Er richtete sich auf, doch dann erkannte er seinen Freund und Begleiter aus Orleans, Bernard de Tremelay, der ihn mit hochgezogenen Augenbrauen begrüßte.
    »St. Clair? Ich hätte gedacht, Ihr würdet nach den langen Ritten der letzten Tage längst tief und fest schlafen …«
    »Dann müsst Ihr mich für schwächer halten als Euch selbst. Warum seid Ihr denn noch nicht im Bett?«
    »Ich war es schon, aber ich konnte nicht schlafen. Mir ist zu vieles durch den Kopf gegangen. Der Morgen kommt noch schnell genug, aber ich dachte, ich halte ihn noch ein wenig fern, indem ich wach bleibe. Worüber habt Ihr denn so allein hier oben nachgedacht?«
    André winkte dem Wachtposten zum Abschied zu, dann folgte er de Tremelay die schmale Treppe hinunter, antwortete jedoch erst, als sie außer Hörweite des Wachtpostens waren.
    »Manchmal zahle ich einen hohen Preis für die Zugehörigkeit zu unserer Bruderschaft.«
    Sie waren jetzt auf der nächsten Treppenflucht unterwegs, doch bei diesen Worten blieb de Tremelay stehen und sah sich nach André um.
    »Geht es wieder um Euren Vater?«
    André nickte.
    »Nun, Ihr habt recht, Bruder. Wir zahlen einen hohen Preis. Aber wann immer Ihr darüber nachgrübelt, vergesst nicht: Wenn Ihr glaubt, dass der Preis nicht mehr zu ertragen ist, wird er größer. Glaubt mir, wenn wir so denken, treiben wir uns selbst in die Verzweiflung.«
    Er lachte lauthals auf und wandte sich wieder der Treppe zu.
    »Bernard, wirklich, hat Euch schon einmal jemand gesagt, wie unmöglich Ihr seid?«
    »Aye, mehrfach.«
    Diesmal blieb Tremelay erst am Fuß der Treppe stehen. Er packte André am Rock und zog ihn sanft, aber bestimmt in den Schatten neben der Treppe, wo man sie

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