Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
Vom Netzwerk:
gesamten Bruderschaft beurteilt. Söhne von Frauen, die außerhalb der Befreundeten Familien heirateten, kamen nicht in Frage, doch da ohnehin nur die Bruderschaft davon wusste, litt auch niemand darunter.
    Außer der Abstammung zählten Ehrgefühl und Integrität, Intelligenz und Rechtschaffenheit, Zielstrebigkeit und unbedingte Verschwiegenheit zu den Eigenschaften, ohne die eine Mitgliedschaft nicht in Frage kam. Je weiter die ursprünglichen Familien wuchsen, desto größer war die Auswahl an möglichen Kandidaten, und wenn einmal kein Sprössling einer bestimmten Generation für geeignet befunden wurde, so wurde auch keiner gewählt, und der Anspruch wurde an die nächste Generation weitergereicht, ohne dass der Ruf der Familie dadurch Schaden nahm.
    Dieses System wurde mit großer Sorgfalt und nach langem Nachdenken eingerichtet, und es bewährte sich. Weil es so wichtig war, nur charakterfeste Kandidaten zu bekommen, ging die Auswahl sehr langsam vonstatten, und die Mitglieder waren eigentlich ständig auf der Suche. Niemand konnte aufgenommen werden, bevor er achtzehn wurde, doch oft fand die Initiation sehr viel später statt, weil ja jeder Sohn einer Generation die Chance einer Überprüfung verdiente. Keiner der Kandidaten begriff anfangs, wie ihm geschah; er wusste nur, dass man ihn auf etwas Wichtiges vorbereitete, das streng geheim und sehr ernst war. Die Männer, die ihn darauf vorbereiteten, seine Mentoren, waren die Menschen, die er in seinem Leben am meisten schätzte.
    Erst nach seiner Initiation begann er, die Anfänge der Vorbereitung tatsächlich zu verstehen, und erst dann begriff er, dass er – möglicherweise der einzige lebende Vertreter der Bruderschaft in seiner ganzen Familie – als Einziger in seiner Verwandtschaft von der Existenz der Bruderschaft wusste.
    Dies war oft das, was den Neulingen die meisten Schwierigkeiten bereitete: das Bewusstsein, dass sie auf fundamentale Weise für immer vom Rest ihrer Familie abgeschnitten waren, weil sie etwas über sich selbst und ihre Herkunft wussten, worüber sie mit niemandem sprechen konnten – dass es ihnen nicht möglich war, mit ihrer eigenen Familie über einen Teil ihres Lebens zu sprechen, der von nun an für sie zunehmend wichtiger werden würde, während die anderen nicht das Geringste davon ahnten.
    Eigentlich bereitete dies alles André St. Clair inzwischen keinen großen Kummer mehr, doch an diesem Abend brannte es in ihm wie das Gift eines Schlangenbisses, und die Ironie, dass sein Vater keine Ahnung gehabt hatte, worüber sie in Wirklichkeit sprachen, machte alles noch schlimmer.
    Sir Henry St. Clair, der Adelsherr aus Anjou, war unermesslich stolz auf seine Abstammung und den edlen Stammbaum seiner Familie, und es war ihm mit Sicherheit ernst gewesen, als er gesagt hatte, er hätte keine Vorurteile gegenüber den Juden. Doch André wusste auch, dass sein Vater trotz seiner Integrität und seines aufrichtigen Wohlwollens außer sich sein würde, wenn jemand versuchen würde, ihm einzureden, dass er jüdisches Blut in seinen Adern hatte und seine Vorfahren jüdische Priester gewesen waren. Noch unvorstellbarer würde es für ihn sein, dass sein eigener Sohn das glauben sollte und sein Leben dem Fortbestand dieser alten Lehre widmen sollte. Das würde der alte Mann nie begreifen, und André hatte keine andere Wahl, als die Zähne zusammenzubeißen und sich damit abzufinden, denn ändern konnte er nichts daran.
    Der verstörende Zwischenfall mit dem Zahnziehen war zwar wahr, doch er war nur ein Einzelfall, den André bewusst benutzt hatte, um seinen Vater zu schockieren und vom Ernst seiner Bedenken zu überzeugen. Doch die wirkliche Schurkerei lag in den weniger drastischen, aber sehr viel weiter verbreiteten und lebensbedrohlichen Judenverfolgungen der vergangenen sechs Monate in England.
    Es hatte am Tag der Krönung Richards begonnen, dem dritten September 1189, bei seinem merklich – manche sagten auch skandalös – maskulinen Krönungsessen. Man hatte es das Junggesellenfest genannt. Und unter den Gästen war keine einzige Frau gewesen, nicht einmal die Mutter des Königs. Als gegen Ende der Festlichkeiten alle schon ziemlich betrunken waren, war eine Delegation jüdischer Kaufleute gekommen, um dem neuen Monarchen Geschenke zu überbringen und ihm alles Gute zu wünschen. Doch man hatte sie am Eingang aufgehalten, ihre Geschenke konfisziert, und dann hatte man sie ausgezogen und verprügelt, bevor man sie hinauswarf. Auf

Weitere Kostenlose Bücher