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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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weder sehen noch hören konnte.
    »Was ich Euch jetzt sage, dürft Ihr nicht mehr vergessen, Junge«, sagte er leise, und jeder Humor war aus seiner Stimme verschwunden. »In ein paar Tagen werdet Ihr in Vézelay offiziell als Postulant in den äußeren Kreis des Templerordens aufgenommen. Wenn Ihr dann Eure Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt und Euch nichts zuschulden kommen lasst, werdet Ihr Novize und schließlich ein vollgültiger Templer, der Zugang zu sämtlichen Geheimnissen und Überlieferungen des Ordens hat. Ihr glaubt, Ihr habt es jetzt schwer, weil Ihr ein Geheimnis vor Eurem Vater habt? Nun, in wenigen Tagen wird Euch dieses Problem wie eine Kleinigkeit vorkommen.«
    Bernard holte tief Luft, dann fuhr er leise und beschwörend fort.
    »Wartet nur, bis Ihr erst in den Tempel aufgenommen werdet und unter Menschen isoliert seid, deren Gedankenwelt allem, was Ihr wisst und glaubt, völlig fremd ist. Wartet nur, bis Ihr mit der sturköpfigen Ignoranz und der unkritischen Dummheit konfrontiert werdet, die unter den Reihen vorherrschen, denen Ihr nun beitreten wollt, dort, wo die Ritter – und viele ihrer Sergeanten – der festen Überzeugung sind, dass sie die von Gott Auserwählten und die Weltelite sind. Auch dort wird es Euch nicht möglich sein, nur ein Wort über die Wahrheit zu verlieren: dass nämlich ihr heiliger Orden von der Bruderschaft ins Leben gerufen wurde, der Ihr angehört, um wiederum deren heilige Geheimnisse zu hüten.«
    Jetzt glaubte André, in der Finsternis doch wieder eine Spur von ironischem Humor zu hören.
    »Eure gesamte Existenz in ihrer Mitte wird eine Lüge sein, das werdet Ihr jedes Mal schmerzhaft spüren, wenn sie Euch mitten in der Nacht wecken, um ein Gebetsritual zu vollführen, das für Euch keine Bedeutung hat. Wider besseres Wissen wird Euch nichts anderes übrig bleiben, als Euch zu fügen und ihre falschen Riten zu observieren, und Ihr werdet kein Wort der Klage äußern können. Das wird Euch wirklich Schwierigkeiten bereiten, und anders als die Kleinigkeit mit Eurem Vater ist das der eigentliche Preis für die Zugehörigkeit zu unserer Bruderschaft.«
    Wieder holte Bernard Luft.
    »Glücklicherweise wird Eure Isolation nicht endlos dauern. Sobald Ihr Eure Prüfungen bestanden habt und vollgültiges Mitglied geworden seid, wird man die Einschränkungen lockern, und unsere Brüder innerhalb des Templerordens werden dafür sorgen, dass man Euch Aufgaben erteilt, mit denen Ihr uns nützen könnt.«
    Diesmal war sich André sicher, dass Bernard grinste, während er ihm nun die Hände auf die Schultern legte.
    »Aber obwohl ich noch nie an einer Templerzusammenkunft teilgenommen habe, kann ich Euch versprechen, dass die nächsten Monate schrecklich werden.«
    »Aye«, seufzte André. »Davor hat man mich bereits gewarnt. Aber ich danke Euch für das Entzücken, das es Euch bereitet hat, mich daran zu erinnern, was auf mich zukommt.«
    »Es kommt auf Euch zu, André, doch bis wir Outremer erreichen, sollte es vorbei sein, und die Welt der Lebenden wird Euch wiederhaben. Nun geht zu Bett und schlaft gut, damit Ihr morgen ausgeruht seid. Es heißt, dass es regnen wird, und unsere Pilgerfahrt nach Vézelay wird lang, nass und unangenehm.«

    DIE MORGENSONNE GING STRAHLEND über den verschneiten Gipfeln der Alpen im Osten auf und beleuchtete das gewaltige Banner des Templerordens, das stolz und allein auf einem Hügel über den Feldern und Häusern von Vézelay stand. Das Banner flatterte nicht in der schwachen Brise wie viele der anderen Fahnen am Fuß des Hügels, sondern es hing mit Gewichten beschwert reglos am Querbalken eines riesigen Pfostens, und sein achtspitziges rotes Kreuz hob sich herausfordernd und unverwechselbar vom weißen Untergrund des Banners ab und proklamierte die Vormachtstellung des Ordens.
    An seinem Fuß standen zehn weiß gekleidete Ritter in voller Rüstung Ehrenwache, und das rechtwinklig angeordnete Lager der Templer überzog den gesamten Gipfel des Hügels: Ritter und Sergeanten des Tempels, zum Großteil unerfahren und frisch rekrutiert, um die durch die tragischen Verluste in Outremer ausgedünnten Reihen des Ordens wieder zu füllen.
    Über tausend Bewaffnete hatten sich vor der ersten Zeltreihe in Formation aufgestellt, und weniger als hundert von ihnen hatten je an einem echten Kampf teilgenommen.
    Die Ritter, die nicht einmal ein Drittel der Männer ausmachten, trugen einfache weiße Überwürfe, die nicht mit dem schwarzen Kreuz des

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