Die Brueder des Kreuzes
vertrieben werden und unsere gesamte Mission unvollendet abbrechen müssen. Begreift Ihr allmählich, warum Euer Vetter so wichtig für uns ist?«
St. Clair gab sich keine Mühe, sein Stirnrunzeln zu verbergen.
»Nein, Herr.«
Master Bernard nickte.
»Nun, wenn es Alexander Sinclair gelungen ist, eine Verbindung zu den Schiiten zu knüpfen, hat er damit vielleicht einen Weg geebnet, den Verbleib unseres Ordens auch nach der möglichen Entmachtung der Templer zu sichern.«
St. Clair hob die Hand.
»Verzeiht mir, ich begreife immer noch nicht ganz, was Ihr über die Vertreibung der Templer aus Outremer gesagt habt. Es fällt mir schwer – mehr als das, es ist mir unmöglich –, mir etwas Derartiges vorzustellen. Dazu bedürfte es doch einer offenen Kriegserklärung Barbarossas.«
St. Clair sah sich hilfesuchend in den Gesichtern der Männer um.
»Der Tempel wird doch in Outremer nicht einfach die Waffen strecken und davonsegeln … oder?«
»Das hätten wir bis vor wenigen Wochen ebenso geglaubt. Doch dann ist das Schiff, das ich bereits erwähnt habe, in Marseille eingetroffen. Der Kurier ist absolut vertrauenswürdig, und seine Botschaften haben unseren gesamten Wissensstand verändert.«
Bernard bohrte die Zähne in seine glattrasierte Oberlippe und legte sich seine nächsten Worte sorgfältig zurecht.
»Wir sind überzeugt, dass Guido de Lusignan, der König von Jerusalem, ein Narr und ein Schwächling ist. Guido hat sich durch widersprüchliche, jedoch allesamt schlechte Ratschläge des Tempelmeisters Gerard de Ridefort und seines widerwärtigen Kumpanen Rainald von Chatillon zu der törichten Schlacht bei Hattin verleiten lassen. Wäre Guido nicht eine solche Memme, hätte er sie vielleicht beide ignoriert und seine eigene Entscheidung getroffen, doch das hat er nicht. Und seine Dummheit war mit Hattin nicht vorbei. Er wurde dort von Saladin gefangen genommen. Dieser hat ihn gut behandelt und ihn freigelassen, nachdem ihm Guido versprochen hatte, nicht weiterzukämpfen, sondern nach Frankreich heimzukehren. Doch kaum war er wieder frei, als er sein Versprechen auch schon gebrochen hat, mit der wenig überraschenden Begründung, ein Eid, den man unter Zwang gegenüber einem Ungläubigen geleistet habe, könne nicht bindend sein. Dann hat er sich selbst zum König erklärt. Doch er war schon wieder zu spät und außerdem zu schwach, denn inzwischen war ein neuer Akteur in Outremer aufgetaucht. Wisst Ihr über Tyrus Bescheid?«
St. Clair zuckte mit den Achseln.
»Es ist eine Stadt. Mehr weiß ich nicht darüber.«
»Eine Küstenstadt mit einem bedeutenden Hafen. Es war einmal eine Insel, bis Alexander der Große sie durch einen Damm mit dem Festland verbunden hat. Diesen Damm gibt es noch. Er bildet eine Landenge, auf der eine große Mauer steht, die die Stadt von der Landseite her so gut wie uneinnehmbar macht. Saladin hat Tyrus sogleich nach dem Sieg von Hattin belagert, und die Verteidiger hatten die Hoffnung schon so weit aufgegeben, dass sie bereits Verhandlungen aufgenommen hatten, als plötzlich ein Schiff in den Hafen gesegelt kam. An Bord dieses Schiffes befand sich ein Abenteurer namens Conrad von Montferrat. Er und seine Begleiter waren nach Jerusalem unterwegs und wussten nichts vom Stand des Krieges, von Saladin oder von Hattin. Sie hatten tags zuvor in Acre landen wollen, hatten aber erfahren, dass die Stadt in Sarazenenhand geraten war, und so hatten sie Tyrus angesteuert.«
Bernard räusperte sich, bevor er weitersprach.
»Sobald Conrad erfuhr, was dort im Gange war, übernahm er das Kommando. Er hat die Verhandlungen sofort abgebrochen und die Stadt auf eine lange Belagerung vorbereitet. Saladin, der begriff, dass aus der schnellen Kapitulation nichts werden würde, hat seine Armee prompt abgezogen und ist nach Süden gezogen, um Jerusalem und Ascalon einzunehmen. Tyrus stellte schließlich aufgrund seiner isolierten Lage keine unmittelbare Bedrohung für ihn dar, während Jerusalem reiche Beute versprach. Als Befehlshaber von Tyrus wurde Conrad de facto auch zum Anführer der Franken, doch dann traf Guido in Tyrus ein und verlangte, als König anerkannt zu werden. Conrad versperrte ihm die Stadttore. Er sagte, die Frage seiner Königswürde sei ungeklärt und müsse bis zur Ankunft der Frankenkönige und ihrer Armeen warten.«
Der alte Ordensobere hielt inne und schüttelte den Kopf.
»Im folgenden Frühjahr führte Guido ein kleines Heer und einige wenige Schiffe gegen Acre,
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