Die Brueder des Kreuzes
etwas weiter südlich an der Küste gelegen. Das war die pure Dummheit, typisch für Guido von Lusignan, den man selbst in seinen lichtesten Momenten nicht der Klugheit bezichtigen kann. Die Garnison von Acre allein war doppelt so stark wie Guidos gesamte Truppe, und Saladin, der sein Lager nur eine kleine Strecke entfernt aufgeschlagen hatte, hätte sich jederzeit regen und den dreisten König und seine Anhänger auslöschen können. Doch Guido sah keinen anderen Ausweg. Wenn Acre nicht angriff und auf diesen letzten trotzigen – und wahnsinnigen – Versuch, den Feind zu besiegen, verzichtete, konnte dies sein Ende sein. Vielleicht hat er ja auf ein Wunder gehofft – denn beim lebendigen Gott des Moses, es ist ein Wunder geschehen.«
Wieder schüttelte er sacht den Kopf.
»Als einziger direkter Angriff gegen die Moslems in Outremer hat Guidos alberne kleine Belagerung einiges an Aufmerksamkeit erregt. Einige Zeit später traf eine Flotte dänischer und friesischer Schiffe ein, der bald ein weiterer Verband aus Flandern und Nordfrankreich folgte, und schließlich traf Markgraf Louis von Thüringen mit einem weiteren Kontingent ein. Sie sind zwar alle nach Tyrus zu Conrad gefahren, doch irgendwie muss Conrad sie alle gegen sich aufgebracht haben, sodass sie nach Acre gefahren sind, um Guido zu helfen, just als sich dieser schließlich doch Saladins Truppen gegenübersah. Zu diesem Zeitpunkt ist unser Informant aufgebrochen, um uns von den Ereignissen zu berichten. Das Letzte, was er vor seiner Abreise gehört hat, war, dass sich Conrad doch noch herabgelassen hatte, sich den anderen Franken anzuschließen und Guido gegen Saladin zu unterstützen.«
Master Bernard verstummte, und vor Andrés innerem Auge erschien die Szene vor den hohen Steinmauern von Acre, die Zelte und Banner der fränkischen Belagerer. Doch schon verlangte eine andere Stimme seine Aufmerksamkeit.
»Dies ist also die derzeitige Lage – zumindest, soweit sie uns bekannt ist.«
Der junge Graf aus der Champagne hatte sich erhoben.
»Alles schien erträglich, solange die herannahende Bedrohung durch den immer noch Hunderte von Meilen entfernten Barbarossa unsere einzige Sorge war. Doch diese neue Entwicklung hat alles verändert.«
St. Clair hatte das Gefühl, etwas Selbstverständliches nicht mitbekommen zu haben, und er beschloss, sein Unwissen zu gestehen.
»Verzeiht mir, Mylord –«
»Nicht Mylord; sprecht mich als Euren Bruder an. Wir alle hier sind Brüder.«
»Aye, verzeiht mir. Aber ich verstehe da etwas nicht. Welcher Zusammenhang besteht denn zwischen Guidos Belagerung von Acre und der Bedrohung durch Barbarossa?«
Henri grinste breit.
»Es freut mich, dass Ihr das fragt. Es ist nur logisch, dass Ihr diese Frage stellt, und ich hatte mich allmählich schon gefragt, ob sie wohl noch kommt. Gut gemacht. Oberflächlich betrachtet gibt es keine Verbindung, bis man genauer darüber nachdenkt, Bruder. Wir haben Zeit dazu gehabt. Ihr nicht.«
Henri sah St. Clair direkt in die Augen.
»Die eigentliche Belagerung von Acre interessiert uns nicht, aber die, die dabei die Hand im Spiel haben, schon – vor allem die Neuankömmlinge, Markgraf Louis von Thüringen und Conrad von Montferrat. Beide sind von noblem Geblüt, stammen aus Deutschland und besitzen den für diese Sorte typischen arroganten Stolz. Beide sind eingeschworene Vasallen Barbarossas. Conrad ist sogar mit ihm verwandt. Ihre bloße Anwesenheit in Outremer ebnet ihm den Weg und könnte unsere Entmachtung bedeuten.«
Er hob die Hand, um St. Clair das Wort abzuschneiden.
»Ihr dürft nicht vergessen, dass die Templer in Outremer für uns die Stellung halten, doch nach acht Jahrzehnten sind sie nicht mehr die Armee Jerusalems. Jetzt sind sie nur noch Krieger, die um den Sieg und für ihre Heimat kämpfen, wie alle anderen Soldaten dort auch. Und ganz gleich, was man hier über die Templer und ihre angebliche Unbesiegbarkeit denken mag, sie haben Konkurrenz bekommen, die es früher nicht gab: Barbarossas Teutonen. Hier im Westen wissen wir nur wenig über sie, aber das, was wir wissen, ist besorgniserregend. Wir können sie noch nicht richtig einschätzen, aber wir wissen, dass die Templer und die Hospitalritter Barbarossas Vorbilder für seine Teutonen gewesen sind und dass sie unter ihresgleichen einen makellosen Ruf genießen. Doch die Loyalität der Templer und der Hospitalritter gilt dem Papst und der römischen Kirche, die der Teutonen Barbarossa und der orthodoxen
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