Die Brueder des Kreuzes
zeigte … und dass er Richard, seinen Mitkommandeur, in diesen Trotz mit einbezog. Dies war allerdings ein Fehler, denn nun war Richard gezwungen, seinerseits eine Seite zu wählen, und eine solche Entscheidung konnte niemandem dienlich sein.
André empfand wenig persönliche Sympathien für König Guidos Zwangslage, denn dieser Mann entsprach nicht der landläufigen Vorstellung von einem heldenhaften Anführer – schon gar nicht, wenn man ihn mit Richard verglich. Guido bewies immer wieder mit deprimierender Vorhersehbarkeit, dass seine Wankelmütigkeit keine Grenzen kannte und dass er nicht in der Lage war, unbeeinflusst von anderen eine eigene Meinung zu vertreten und zu behaupten. Das änderte jedoch nichts daran, dass sein Anspruch auf die Krone rechtmäßig war, wenn er auch auf tönernen Füßen stand.
Die unbestrittene Inhaberin der Krone Jerusalems war Guidos Gemahlin Sybilla gewesen, die Schwester und einzige überlebende Erbin des Leprakönigs Balduin IV. Niemand hatte Sybillas Anspruch auf die Thronfolge angezweifelt, nachdem der einzige männliche Thronerbe, ein kränklicher Neffe ihres Bruders, bereits als Kind gestorben war. Dann hatte sie ihren Liebhaber Guido von Lusignan zu ihrem Mitregenten erwählt und den betagten Patriarchen von Jerusalem gezwungen, diesen nicht nur zum Prinzen und königlichen Berater zu ernennen, sondern ihn zum rechtmäßigen König zu krönen. Der gesamte Adel ihres Reiches reagierte entsetzt, denn man betrachtete Guido als Eindringling, als Abenteurer und als schamlosen Opportunisten.
Er war als Unbekannter in das Königreich gekommen. Angeblich war er von edler Herkunft, doch sein Hintergrund war höchst fragwürdig. Dennoch war es ihm gelungen, sich bei den Baronen vor Ort so beliebt zu machen, dass sie ihn für die Dauer der Minderjährigkeit des Thronerben zum Regenten erklärten – ein Amt, das er alles andere als ehrenhaft bekleidete.
André schluckte den letzten Bissen seiner Mahlzeit herunter und wischte sich mit dem Handrücken das Fett von den Lippen, um dann einen ordentlichen Schluck zu trinken und den Blick auf seinen Nachbarn zu richten, einen breitschultrigen, aber schlanken, glattrasierten Mann mit einer Hakennase und einem hohlwangigen Gesicht, das keine Lippen und Zähne zu haben schien. Der Mann hatte sich gerade erst neben ihn gesetzt und machte sich eben mit Hingabe über ein dickes Stück Schweinefleisch her. Zunächst schenkte er niemandem Beachtung, doch als André ihn grüßte, sah er ihn an und erwiderte den Gruß mit einem Grunzlaut. Dann schob er sich das Fleisch in die Wange. André fiel auf, dass er sich nichts zu trinken mitgebracht hatte.
»Hervorragendes Fleisch«, sagte der Mann. »Habt Ihr es auch probiert?«
Er öffnete beim Sprechen kaum den Mund, sodass sein Akzent – André hatte keine Ahnung, aus welcher Region er stammen mochte – belegt und näselnd klang. Doch immerhin konnte André ihn verstehen, und er freute sich darüber, denn die Chancen, in diesem zusammengewürfelten Haufen jemanden zu finden, mit dem er sich in seiner Muttersprache unterhalten konnte, waren gering. Er schluckte einen Rülpser herunter und nickte.
»Nein, ich glaube, was ich gegessen habe, war Ziegenfleisch, aber es war gut. Wann ist eigentlich der Feiertag ausgerufen worden? Ich habe es erst erfahren, als ich vor einer Stunde aufgewacht bin und das Fleisch gerochen habe.«
Sein Nachbar zog die Nase hoch.
»Letzte Nacht um Mitternacht«, sagte er.
»Was ist denn mit den Männern, die die Schiffe entladen?«
»Was soll mit ihnen sein? Irgendjemand muss es ja tun. Ich habe gestern den ganzen Nachmittag gearbeitet, und in der Nacht hatte ich Wache. Euch habe ich doch auch dort gesehen, oder, bei den Templern? Seid Ihr einer von ihnen?«
André grunzte.
»Aye, ein Novize, völlig unbedeutend. Noch kein richtiger Templer, aber auch kein normaler Mann mehr.«
Er hob seinen leeren Krug.
»Ich hole mir noch Bier. Soll ich Euch etwas mitbringen?«
Der Mann sah sich um, als wäre er überrascht, dass er keins hatte, dann machte er Anstalten aufzustehen.
»Ich komme mit.«
»Nein, dann verlieren wir unsere Sitzplätze. Bleibt nur hier und esst zu Ende.«
Als er zurückkehrte, war sein neuer Nachbar mit essen fertig und starrte nun trübselig ins Feuer. André reichte ihm einen Bierkrug und setzte sich wieder neben ihn.
»Findet Ihr es nicht interessant, dass König Guido hier auftaucht, weitab von seinem normalen Aufenthaltsort, während wir
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