Die Brueder des Kreuzes
Gesichtszüge verzerrten sich zu einem Wolfsgrinsen.
»Wenn ich das beantworten könnte, Master St. Clair, wäre es ja nicht nötig, Euch in solcher Hast nach Acre zu entsenden, oder?«
»Hmm. Was ist mit dem Gelübde – wo werde ich es ablegen?«
»Zwei der Gelübde habt Ihr ja – mit geringen Unterschieden – bereits abgelegt. Ihr werdet sie nur noch einmal wiederholen. Ich werde Euch dabei zur Seite stehen und Euch die Worte vorsprechen. Ihr werdet einfach nur antworten. Die meisten dieser Männer können weder schreiben noch lesen. Niemand, der nicht unserer Bruderschaft angehört, wird merken, dass der Wortlaut der ersten beiden Gelübde anders ist.«
»Diese beiden machen mir ja auch keine Sorgen. Es ist das dritte, um das ich mir Gedanken mache.«
Bruder Justin zog die Augenbrauen hoch.
»Das Keuschheitsgelübde? Aber Ihr habt doch Eure Entscheidung getroffen, als Ihr die beiden Königinnen verschmäht habt. In wenigen Wochen werdet Ihr in Acre sein, und Ihr könnt mir glauben, wenn ich Euch sage, dass Eure Keuschheit unter den Töchtern der Gläubigen Allahs kaum in Gefahr sein wird. Nein, Ihr werdet Eure Gelübde ablegen, und es ist gut möglich, dass Ihr danach nie wieder einen Gedanken an sie verschwendet. Als ranghöchstes Ordensmitglied hier in Zypern wird de Troyes die Zeremonie leiten.«
»De Troyes? Er gehört nicht der Bruderschaft an?«
»Nein, das tut er nicht, Gott sei Dank. Er ist genau das, was wir jetzt brauchen, die Glaubwürdigkeit in Person. Nicht einmal Richard Plantagenet wird es wagen, das Tun des hiesigen Tempelgroßmeisters in Frage zu stellen. Le Sieur de Troyes ist un sanglier du Temple , ein Tempeleber, der im Leben keinerlei Interessen außer dem Tempel und seinen Ritualen hat. Daher wird er Eure Weihe leiten, denn ich werde ihm die Lage erklären, und auch er wird begreifen, dass Ihr sofort abreisen müsst, um die Bedrohung abzuweisen, die Euer geliebter Cousin für den Tempel darzustellen scheint.«
»Wie könnt Ihr Euch sicher sein, dass er alles, was Ihr ihm erzählt, fraglos glauben wird? Wir agieren ja hier nur auf der Basis von Gerüchten.«
»Gerüchte und Fantasie, Bruder André. Ihr dürft die Macht der Fantasie niemals unterschätzen. Männer wie de Troyes haben keine Fantasie. Ihr Leben ist öde und dörr, gefesselt an einen nichtigen Alltag. Sie leben ein Dasein ohne Farben, und wenn sie jemandem wie Euch oder mir begegnen, der mit der Macht seiner Stimme und seines Verstandes eine Welt entwerfen kann, lassen sie sich leicht überreden. Wenn ich mit Etienne de Troyes gesprochen habe, wird er glauben, dass Euer Cousin eine größere Bedrohung für den Tempel darstellt als Saladin selbst, und er wird es kaum abwarten können, Euch zum Tempelritter zu weihen, so sehr wird es ihn drängen, Euch nach Acre zu entsenden. Und solange sein Enthusiasmus noch frisch ist, werde ich ihn auch zu König Richard schicken, um ihm von Eurer Ordensweihe und Eurer Abreise in Kenntnis zu setzen.«
St. Clair neigte den Kopf.
»Ich kann sehen, dass Ihr glaubt, was Ihr sagt, daher steht es mir nicht zu, weiter an Euch zu zweifeln. Wann wird das alles geschehen?«
»Sobald ich es arrangieren kann. Heute ist der fünfzehnte Mai. Ich muss mich mit einigen Mitgliedern der Bruderschaft beraten, bevor ich einen Zeitpunkt festlegen kann, doch dann wird es schnell gehen.«
»Und wann wird das sein?«
»Morgen. Wir werden mit großer Sicherheit morgen Nacht so weit sein.«
André nickte. Die Weihezeremonien fanden stets bei Nacht statt.
»Wird es mir noch einmal möglich sein, meinen Vater zu besuchen, bevor ich aufbreche?«
»Nein, denn Ihr könnt diese Gemäuer erst wieder verlassen, wenn Ihr den Templereid abgelegt habt. Doch Sir Henry kann Euch hier besuchen, wenn er Zeit hat. Wenn wir Euch morgen Nacht weihen, werdet Ihr tags darauf fort sein, also lasst ihn am besten bitten, Euch morgen zu besuchen. Habt Ihr sonst noch etwas auf dem Herzen? Ihr seht … besorgt aus.«
St. Clair zuckte mit den Achseln.
»Die Zeremonie. Ist sie sehr kompliziert?«
Erleichtert sah er, wie sich der Novizenmeister zurücksetzte und ihn angrinste.
»Es ist eine geheime Zeremonie, Master St. Clair, das wisst Ihr ja. Aber sie hat nichts mit der Aufnahme in unsere Bruderschaft gemeinsam. Glaubt mir das bitte und seid beruhigt. Es ist nichts Kompliziertes oder Bedeutsames daran.«
Justin erhob sich von seinem Hocker und trat zu einem Schrank an der Wand. Er öffnete eine Tür und holte eine
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